Über Übemethoden
Irgendjemand meinte mal, ein Instrument zu spielen wäre aus anatomischer Sicht ungefähr so, als würde man mit einem Fahrrad über einen holprigen Feldweg fahren und könne nicht direkt die Hände am Lenker haben, sondern man müsse den Lenker und damit das Fahrrad mit Gummibändern dirigieren.
Nehmen wir jetzt mal an, Du würdest Radfahren, um die Natur zu genießen. Könntest Du unter solchen Umständen die Natur genießen? Vermutlich nicht, weil Du zu sehr mit dem ganzen Apparat beschäftigt bist.
Überlegen wir weiter, wenn Du sozusagen eine Lieblingsstrecke hast und die immer wieder fährst, dann wirst Du Tipps und Kniffe herausfinden, wie Du nicht stürzt und hie und da vielleicht die Landschaft genießen kannst.
Aber wenn jetzt jemand den Weg kennt, kann er dir zeigen wie Du am besten fährst und vielleicht wie Du das am besten übst, damit Du möglichst schnell die Landschaft genießen kannst.
Das Problem dabei, während Du die ganzen Sachen übst, bist Du so auf das Fahren konzentriert, dass Du unter Umständen gar nicht von der Natur mitbekommst. Du bist enttäuscht und denkst dir, dann holpere ich dann doch lieber mit ein paar Stürzen durch die Gegend.
Verständlicher Vorschlag. Gegenvorschlag, würdest Du einfach mal trainieren und dann vergleichen, wie Du besser zu Recht kommst und wann dir das Endergebnis weniger Knüffe versetzt und Du dich an der Landschaft mehr erfreuen kannst. Die Frage ist aber auch, ob es dir den Aufwand wert ist?
Dich interessiert aber vielleicht auch, warum wir Lehrer so sicher sind, dass die Methoden helfen. Erfahrung.
Ich hatte mal ein sehr interessantes Erlebnis. Ich bekam zwei 10-jährige Jungs, die langjährige Freunde waren, als Zweiergruppe. Nach wenigen Stunden stellte sich die Frage, ob man die zwei zusammen lassen kann, weil die Ergebnisse zu weit auseinander klafften. Verglich man auch noch den Übeaufwand, dann übte der Schlechtere der beiden fünf Mal mehr als der andere Schüler. Ich konnte diesen Schüler dazu bringen, Übemethoden konsequent durch zu halten. Die Gruppe existiert immer noch.
Ich mach hie und da auch mit einzelnen Schülern das Experiment: “Das eine Stück spielst Du einfach drauf los, das andere Stück übst Du nach meinem Plan. Wir schauen wie lange Du brauchst bis Du die Stücke kannst?” Sie brauchen alle für das planlose Stück länger als für das Stück mit Übemethode. Meist handelt es sich ungefähr um den Faktor 5.
Aber sicher ist auch interessant zu wissen, wie sieht die Bewertung dieser Schüler aus. Die meisten finden, die Lustbilanz fällt pro Übemethoden aus. Ich kann aber auch sagen, je geschickter der Schüler ist, desto weniger deutlich fällt dieses Urteil aus.
Aber es gibt auch ein Problem bei Übemethoden. Sie verstellen den Blick auf das eigene musikalische Erleben.
Ein einfaches Beispiel, du bekommst als Aufgabe auf die Dynamik zu achten. Du bemühst dich die Dynamik einzuüben, wie es dir erklärt worden ist. Vor lauter Mühe bemerkst Du nicht mehr, was diese Veränderung des Stückes in dir selbst auslöst. Ob es z.B. schöner oder intensiver für dich geworden ist.
Bzw. das Stück wird durch die Übemethode so zertrümmert, dass man das Stück als solches nicht hört.
Also musst Du auch darauf achten, dass Du das (musikalische) Ergebnis bewertest und dir auch Zeit und Raum geben, die Verbesserung zu genießen.
Der Beitrag wurde am Freitag, den 4. April 2008 um 08:07 Uhr veröffentlicht von und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Lernen, Übematerial abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .