Vorstellung und Wirklichkeit – 4
Mich hat jemand auf ein Video hingewiesen. Dieses Video reizt mich zu vehementen Widerspruch.
Es wird die These aufgestellt, man würde die Dinge so spielen, wie man sie innerlich hört. Dazu auch den Umkehrschluss ist die Vorstellung stark genug, dann spielt man das, was man hört.
Ich halte dies in seiner Absolutheit für falsch. Warum. Um einen Klang zu erzeugen, muss mir der motorische Prozess, um den Klang zu erzeugen, möglich sein. Weiter muss ich diesen motorischen Prozess verlässlich abrufen können. Am besten im Sinne einer konditionierten Reizreaktionskette. Klangvorstellung evoziert verlässlich den motorischen Prozess.
In anderen Worten, die präzise Klangvorstellung evoziert noch lange keine richtigen motorischen Prozesse. Dieser Mechanismus muss erarbeitet werden.
Aber wie kommt man auf solche Thesen, wie in dem Youtubevideo?
Ich erkläre es mir so. Wenn man lang genug Musik gemacht hat, hat man genügend motorische Prozesse und Klangvorstellung zur Verfügung, sodass dieser Automatismus zwischen Vorstellung und richtiger motorischer Reaktion funktioniert.
So weit, so klar. Aber warum wird in diesem Video und auch an anderen Stellen diesem Thema solch eine Bedeutung zugemessen.
Wenn man ein Instrument lernt, versucht man mit Hilfsmitteln das richtige Ergebnis zu erzielen. Z.B. das Zählen. Irgendwann kommt der Punkt, dass man das Zählen eigentlich nicht mehr bräuchte. Aber man hält weiter daran fest, weil einem gar nicht klar ist, dass man es nicht mehr braucht. So geht es mit vielen Hilfsmitteln.
Laufen genügend nicht mehr notwendige Hilfsmittel beim Spielen mit, dann wirkt ein Gedankentrick, der diese Hilfsmittel ausschaltet, wie eine Art Befreiung.
Ein Kontrollfreak, der bemerkt, dass er seine Kontrollen gar nicht braucht, dürfte ähnlich empfinden. Weil er bemerkt, wie ihn dieser Kontrollzwang belastet hat, teilt er dem Rest der Menschheit mit, wie er sich befreit hat und fordert diese auf, das Gleiche zu tun.
Der Beitrag wurde am Freitag, den 7. Dezember 2012 um 08:06 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .