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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Körperorientierte Ansätze für Musiker – Hrsg. Claudia Spahn

Als ich mir das Buch „Musiker in Bewegung“ aus der Frankfurter Stadtbücherei holte, stand fast neben diesem Buch „Körperorientierte Ansätze für Musiker“ herausgegeben von Claudia Spahn.

Es werden verschiedene Körpertechniken und Bewegungsarten vorgestellt, die für Musiker relevant sein könnten. Der Konjunktiv stammt von mir. Claudia Spahn würde vermutlich den Indikativ verwenden.

Es werden vorgestellt:

  • Feldenkrais
  • Ideokinese
  • Alexander-Technik
  • Das Konzept Schlaffhorst-Andersen
  • Ilse Middendorf – Der Erfahrbare Atem
  • Qigong
  • Autogenes Training
  • Progressive Muskelrelaxation
  • Dispokinesis
  • Functional Kinetics FBL Klein-Vogelbach
  • Aikido
  • Yoga
  • Tanz
  • Pilates
  • Gyrokinesis
  • Sport
  • Nordic Walking

Die Vorstellung geschieht nach einem Schema:

  • Geschichte der Ansätze
  • Relevanz für Musiker mit einem Versuch eines Wirkungsnachweises
  • Übungen
  • Fazit

Die Idee des Buches ist Orientierung anzubieten. Gelingt das dem Buch?

Meiner Meinung nach nicht.

Das Buch bietet schlichtweg zu wenig Material an, um die Ansätze so kennenzulernen, sodass man weiß, was nutzen könnte. Das betrifft insbesondere die Anzahl der Schnupperübungen.

Ich fand von der Theorie Ideokinese und Dispokinesis sehr interessant. Aber es gibt tatsächlich noch Methoden, bei denen man so gut wie keine weiterführenden Informationen im Netz oder in der Bücherei findet, um die Informationen des Buches zu vertiefen. In meinem Fall Ideokinese und Dispokinesis.

Bei der Dispokinesis müsste ich z.B. mir ein englischsprachiges Buch für je nach Quelle zwischen 80 und 100 Euro besorgen.

Jetzt könnte man sagen, Frau Prof. Dr. Dipl. Claudia Spahn wird ja jetzt keinen Unfug ausgesucht haben. Immerhin ist sie die Leiterin des Instituts für Musikermedizin an der Hochschule für Musik und dem Universitätsklinikum Freiburg. Also gib das Geld aus.

Es dürfte doch nach wissenschaftlichen Standards ausgewählt worden sein. Soweit man die Methoden evaluieren oder bewerten kann, wird dies geschehen sein.

Und daran habe ich gewaltige Zweifel bekommen. Claudia Spahn weist zwar darauf hin, dass es keine ernsthaften Studien für die Wirksamkeit gäbe. Aber trotzdem werden bei fast jedem Ansatz, Einzelmeinungen von meist namenlosen Musikern und namenlosen Musikstudenten aufgeführt.

Dass die Verwendung solcher Belege im Medizinbereich ein starker Scharlatanhinweis sein kann, möchte ich nicht mal hochhängen, sondern die Qualität der Belege.

Ich finde Musikstudenten als Beleg ziemlich unergiebig. Wir haben auch viel ausprobiert und an jeder Methode etwas gefunden. Der eine hatte eine Yogaphase, um dann zu Feldenkrais zu wechseln. Der Alexandertechniker fuhr zur Dispokinesis. Ein Musikstudent mag sich zu einem Verfahren positiv äußern. Aber in einem halben Jahr oder Jahr findet er etwas anderes toll. Musikstudenten neigen zum Ansatzhopping.

Aber die Belege wurden auch als solches meiner Meinung nach nicht kritisch überprüft. Eine Geigenstudentin berichtet z.B. positiv darüber, was für Yogaübungen ihr helfen.

Diese Übungen wurden dann auch just in den Beispielübungen aufgeführt. Erste Feststellung meinerseits, kenne ich von der Krankengymnastik. Meine Frage: “Hat da jetzt Yoga geholfen, oder die Übungen, die nicht sonderlich yogaspezifisch sind?”

Und weil ein paar Spielprobleme gelöst worden sind, soll man sich mit Yoga auseinandersetzen. Da müsste doch eigentlich doch über mehr Effekt berichtet werden. Teilweise hatte ich den Eindruck, dass man einfach froh war, eine positive Aussage zu haben.

Daraufhin sah ich mir die Biografien der Autoren an. Meist sind die Autoren Lehrer/Anbieter der beschriebenen Methoden.

Da habe ich mich gefragt, haben diese Autoren eine kritische Distanz. Wenn ein Homöopath eine Einführung über Homöopathie schreibt, wird er dann erwähnen, was für Risiken Homöopathie hat, weil die Homöopathie nicht über den Placeboeffekt hinausreicht?

Z.B. der Qigongartikel erweckt meiner Meinung nach den Eindruck, dass die Erklärungen der traditionellen chinesischen Medizin für die Wirksamkeit von Qigong von der westlichen Medizin geteilt werden. Bloß das tut die westliche Medizin nicht. Ich habe mich vor Kurzem selbst genauer mit Qigong beschäftigt. Es hat nie der Hinweis gefehlt, dass die westliche Medizin, das Erklärungsmodell der TCM nicht bestätigen kann. Aber die westliche Medizin hat andere Erklärungsmodelle für die Wirksamkeit von Qigong.

Und eine Ausführung, ob das Theoriemodell hinter dem Ansatz valide ist, hätte ich mir schon gewünscht.

Warum? Ich habe insbesondere in meinem Studium erlebt, das einige Gründer oder Nachfolger von den Ansätzen dazu neigen sich als Weltenerklärer zu sehen und Theorien mitliefern, die Menschen beeinträchtigen oder schaden können.  Es gab Kommilitonen, die meinten, nachdem sie Feldenkrais gelesen hatten, sie bräuchten eine Psychotherapie wegen ihrer Kindheit, dann würde das Spielen besser klappen. Nachdem ich selbst drei Bücher von Feldenkrais gelesen habe, kann ich das nachvollziehen.

Manche Ansätze neigen dazu, die Menschen zu pathologisieren und sich dann als Heilretter anzubieten. Dazu hätte ich mir eine kritische Einordnung erwünscht.

Denn z.B. die Dispokinesis spricht davon, dass sie eine “ Nachreifung der Senso- und Psychomotorik“ bewerkstelligen müsse oder könne. Da würde mich schon interessieren, hat die Dispokinesis überhaupt wissenschaftlich validiert das Zeugs und Berechtigung so etwas festzustellen. Oder bilden die sich etwas ein, wobei die Einbildung halt hilfreich ist.

Also Risikohinweise bei den Ansätzen wären schön gewesen. Yoga wird ja nicht nur positiv gesehen, sondern hat auch Gefahren.

Letztlich werden nur Probelege gesucht, keine negativen Belege.

Es müssten sich aber auch an der Freiburger Musikhochschule genügend Leute finden lassen, die irgend einen Ansatz probiert haben und fallen lassen haben. Deren Meinungen wären doch auch interessant zu lesen gewesen. Und aus der Erfahrung meiner Studienzeit würde ich hinzufügen, warum haben nur so wenige Studenten solche Ansätze ausprobiert und haben mit ihrer Begeisterung nicht die Reststudentenschaft anstecken können?

Die Aufgabe von Wissenschaft ist nicht nur Belege für eine Sache zu finden, sondern auch gegen sie. Das passiert in dem Buch nicht.

Dann habe ich mir noch die Wirkungsstätten der Autoren angesehen. Es kamen sehr viele aus dem Freiburger Raum. Also aus dem Wirkungskreis der Herausgeberin. Da stelle ich mir die Frage, war da jetzt die persönliche Bekanntschaft dafür relevant als AutorIn ausgesucht worden zu sein oder die fachliche Qualifikation? Hat die Herausgeberin wirklich einen Überblick über dieses Segment oder nur über ihr persönliches berufliches Umfeld?

Langer rede kurzer Sinn, das Buch ist interessant, weckt aber in mir starke Zweifel an seiner Seriosität, sodass ich in ihm keine Orientierungshilfe sehe.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 8. November 2019 um 08:23 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Buchbesprechung, Eingeschoben, Gitarrenunterricht, Krimskrams, Übematerial, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .