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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Wie lerne ich, einen Fingersatz zu schreiben?

Ich bekam vor Kurzem einen Anruf von leider schlechter telephonischer Qualität. Jemand suchte einen Lehrer, unter anderem, wenn ich es recht verstanden habe, weil sie nicht lernen würde, wie man Fingersätze schreibt.

Damit stellte ich mir die Frage, wie lernte ich Fingersätze zu schreiben? Eigentlich gar nicht. Nicht weil ich ein Genie bin, sondern rückblickend gesagt, Fingersatz schreiben vermittelte sich mir durch viele Informationen, zu denen niemand explizit sagte: „Merk’ dir das für die nächste Fingersatzprüfung, das ist wichtig.“ Irgendwann fügten sich diese Informationen zusammen, sodass ich eine Methode habe, wie ich Fingersätze schreibe.

Wichtig ist, Fingersätze vermitteln sich zu einem großen Teil körperlich. Deswegen ist es meiner Meinung nach nicht möglich, einen Lehrtext zu schreiben, der es möglich macht, dass jemand nach einer Woche perfekte Fingersätze schreibt, indem er einfach in die Noten schaut.

Fingersätze schreiben, benötigt körperliche Erfahrung und Auseinandersetzung, die sich schwer durch theoretisches Wissen vermitteln lässt.

Elementarer und fortgeschrittener Fingersatz

Die Unterscheidung elementarer und fortgeschrittener Fingersatz ist keine „offizielle“ Unterscheidung, sondern eine Unterscheidung von mir.

Elementarer Fingersatz ist der Fingersatz, der es ermöglicht, dass Tonhöhe und Länge der Noten korrekt wiedergegeben werden.

Fortgeschrittener Fingersatz, ist ein Fingersatz, bei dem versucht wird darüber hinaus musikwissenschaftliche und musikalische Kriterien bewusst zu berücksichtigen.

Man lernt Fingersätze machen, in dem man viele Fingersätze spielt und übt

Grundsätzlich ist es so, dass man ähnliche Situationen auf der Gitarre ähnlich löst. Das bedeutet, sieht man Vertrautes, wissen die Finger meist schon, wo es lang geht. In meinem Unterricht schreibe ich nur dann einen Fingersatz, wenn die Situation neu und ungewohnt ist.

Deswegen werden in Noten meist Fingersätze nicht für jeden Ton ausgeschrieben, sondern Eckdaten hingeschrieben und der Rest ergibt sich von selbst. Die Eckdaten deuten die Lösung an.

Bloß was ist, wenn die Situationen zu sehr von der Konventionen abweicht. Dann muss man selber ran und sich etwas einfallen lassen. Kann man da Fehler machen? Es kommt darauf an.

Dazu zwei Beobachtungen.

Ich bekam immer wieder, wenn ich die zweite Lage einführe, die Frage: „Woher weiß ich denn später, was für Finger ich nehmen muss oder in was für einer Lage ich spielen muss?

Irgendwann habe ich begonnen, dass ich nicht einfach die D-Dur Tonleiter in der zweiten Lage von a – a’ , bei der alle Töne gegriffen werden, erkläre. Sondern erkläre die Töne ausgehend von der ersten Lage und verändere schrittweise die Bedingungen.

Interessant ist zu beobachten, wann die SchülerInnen warum anfangen zu meckern. An der ersten Lösung stören sich wenige.

An der zweiten Lösung stören sich viele. Aber unterschiedlich stark. Es gibt aber auch die Hartgesottenen, die sogar auf Nachfrage kein Unbehagen äußern.

Bei der dritten Lösung wird auch gejammert. Ein Grund ist, die befürchtete geistige Anstrengung, weil dann die SchülerInnen in meinem Konzept bemerken, dass das System ein Ton ein Griff sich gerade verabschiedet.

Aber ich führe mit der zweiten Lage den vierten Finger ein. So unbeweglich wie dieser Finger teilweise ist, finden die Schüler, dass der Unterschied zwischen Lösung 2 und 3 als eher marginal ist. Manche behaupten, dass es einfacher wäre, statt dem vierten Finger den dritten zu verwenden.

Eine andere Beobachtung.

Ich lerne immer wieder Menschen kennen, die noch nie oder für lange Zeit keinen Unterricht hatten. Diese beiden Gruppen kann man anhand der Fingersatzqualität ihrer selbsterarbeiteten Stücke unterscheiden. Reine AutodidaktIn*en spielen sehr abenteuerliche Fingersätze, bei denen ich mich überspitzt formuliert frage: „Tut das nicht weh?“ Die andere Gruppe würde ich so beschreiben, der Fingersatz ist im Groben in Ordnung. Die Abweichungen würde ich aber bei meinen SchülerInnen als nicht genau hingeschaut oder geschlafen bezeichnen.

Ein Interessent der ersten Gruppe spielte mir die spanische Romanze mit folgendem rechten Fingersatz vor.

Als er den gängigen Fingersatz ausprobierte, sah er darin kaum eine Erleichterung oder Sinn.

Was will ich mit diesen Beispielen verdeutlichen? Fingersatz wird darüber bewertet, wie er sich anfühlt. Also, ob er das Spiel erleichtert oder nicht.

Aber diese Erleichterungen sind erst begreifbar, wenn sich bestimmte Bewegungskonventionen eingeschliffen haben.

Beim Beispiel mit der zweiten Lage sind die Schüler den Umgang mit dem vierten Finger nicht gewöhnt. Also fällt die bemerkbare Erleichterung durch den Wechsel der Lage eher marginal aus.

Ebenso bei dem Beispiel mit der spanischen Romanze. Wenn man einen neuen Fingersatz ausprobieren muss, der auch noch vielleicht weit ab von dem ist, was der Autodidakt bisher so gespielt hat, dann wird der den besseren Fingersatz vermutlich eher als Tortur empfunden.

Also um Fingersätze entwickeln zu können, braucht man Erfahrung mit einer mannigfaltigen Anzahl guter Fingersätzen, einerseits, um zu erkennen, um was für eine gitarristische Situation handelt es sich grundsätzlich. Andererseits um durch das Spielen ein Gefühl dafür zu haben, ob die Lösung ein guter Fingersatz ist.

Weiter müssen die Hände eine Grundausbildung haben, sodass mangelnde Koordinationsfähigkeiten der Hände die Entscheidung beim Fingersatz entwerfen nicht schädlich beeinflussen.

Wie lernt man einen fortgeschrittener Fingersatz zu schreiben?

Weiter oben schrieb ich:

„Fortgeschrittener Fingersatz, ist ein Fingersatz, bei dem versucht wird, darüber hinaus musikwissenschaftliche und musikalische Kriterien bewusst zu berücksichtigen.“

Bloß was ist gemeint mit „musikwissenschaftliche und musikalische Kriterien bewusst zu berücksichtigen“

Dazu erzähle ich eine Geschichte.

Lehrer Y gab mir für eine Bach Lautensuite Fingersätze, bei dem viele Töne in den Melodien übereinander klangen. Lehrer Y erklärte auf Nachfragen diese Fingersätze mit der Erfahrung, dass er die Lautensuiten auch auf der Laute spielen würde und deren Klangbild nachahmen würde. Bei Lautenmusik, insbesondere bei der Barocklaute klingt ziemlich viel ineinander. Fast als würde ein Pianist permanent das rechte Pedal hinunterdrücken.

Ich verwendete diese Idee auch bei weiteren Stücken von Bach. Jahre später spielte ich Lehrer X in der ersten Stunde eines dieser Stücke vor. Seine Einlassungen zu meinem Fingersatz waren sehr geprägt von einem verzweifelten Bemühen um Diplomatie. Also erzählte ich ihm die Begründung von Lehrer Y. Darauf erhielt ich die Antwort: „Und jetzt weißt Du, warum die Laute ausgestorben ist. Da hört man nichts.“

Beide Lehrer haben eine musikalische Auffassung, die ihre Fingersätze prägen. Das bedeutet, um einen fortgeschrittenen Fingersatz schreiben zu können, braucht es eine musikalische Auffassung. Dies bedeutet, man braucht Wissen und Ideen, um eine musikalische Auffassung haben zu können. Daraus stellt sich dann die Anforderung für den Fingersatz.

Dies ist der eine Teil. Der andere Teil ist, man muss um die Wirkmechanismen der Gitarre wissen. Wer nicht weiß, dass Töne anders klingen, je nachdem wo man sie auf dem Griffbrett greift, der kommt nicht auf die Idee, dass man in eine höhere Lage gehen könnte, um eine wärmere Klangfarbe zu bekommen.

Wo sind die Probleme beim Fingersatz schreiben?

Aus der Rückschau würde ich sagen, mangelnde gitarristische Fähigkeiten und Erfahrung. Das Problem bei einem Fingersatz ist, festzustellen, ob er funktioniert?

Anfänglich war ich schlichtweg froh, wenn ich ein Stück überhaupt auf dem Griffbrett untergebracht hatte. Ich war dann immer fasziniert oder frustriert davon, dass meinen Lehrern noch einige Varianten einfielen und sie diese aus dem Stand spielen konnten.

Warum sind mir die Varianten nicht eingefallen? Mangelnde Erfahrung auf dem Griffbrett. Je mehr ich gespielt habe, desto weniger musste ich mir ausrechnen, wo ich die Finger noch hinsetzen könnte, sondern ich sah es einfach.

Weiter, wenn ich mich mit einem Fingersatz noch abmühen musste, konnte ich schlecht sagen, ob dieser Fingersatz durch Üben leicht genug werden würde oder ob ich auf Dauer gegen eine Wand laufen würde. Durch Erfahrung bekam ich ein Gefühl dafür, ob ein anfänglich schwieriger Fingersatz spielbar werden kann.

Aber es gibt eine Sache, die schwer zu beschreiben ist. Warum legen erfahrene Gitarristen so viel Wert auf ihre Fingersätze und der*ie Schüler*In steht davor und wundert sich. Wenn ich mal wieder der Blick “Jetzt-spinnt-er-wieder!?” trifft, werfe ich ganz gerne ein: “Deine Mücke ist mein Elephant.”

Was will ich damit sagen? Im Laufe meiner Entwicklung sind meine Bewegungen immer sauberer und müheloser geworden. Störungen einer Mühelosigkeit stört deutlicher als dieselbe Störung in Mühseligkeit. Ein Hügel fällt in den Bergen nicht auf, im Flachland schon.

Aber dieser Sachverhalt tritt auch für musikalische Sachverhalte zu. Wenn man noch nicht hört, dass der Bass abreißt, stört einen nicht, wenn der Finger zu früh hochgeht.

Fazit

Fingersätze schreiben ist ein Erfahrungswissen, welches sich im Lauf der Zeit ansammelt. Hast Du Gefühl, Du könntest keine Fingersätze schreiben, bedeutet dies vermutlich, dass dein Erfahrungsschatz, Wissen und deine gitarristischen Fähigkeiten zu gering sind.

Wichtig ist, dass Du eine musikalische Idee hast, denn nach dieser richtet sich der Fingersatz.

Tipp

Frage dich, ob Du die Fingersätze, die dein*e Lehrer*In vorgibt, verstehst. Wenn nicht, frage deinen Lehrer nach dem Warum. Simples Beispiel: “Warum startet das Stück mit dem i-Finger statt mit dem m-Finger?”

Leider ist das bei der Gitarre nicht so möglich wie beim Klavier. Vergleiche Fingersätze und frage dich, was für Veränderungen Du für das Spielgefühl und vom Klangerlebnis wahrnehmen kannst.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 23. September 2022 um 08:17 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrentechnik, Gitarrenunterricht abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .