https://www.gitarrenunterricht-frankfurt.de/wp-content/themes/GitarreFrankfurt/image/Logo-6a.png

Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Wege fahren, Stücke spielen

Eigentlich kommt das Motiv des Artikels der letzten Woche in anderer Form.

In dem Artikel Die Nähe des Erinnerungsortes schreibe ich:

Ich habe das Wort Assoziationsstrom gewählt, weil es so ähnlich anfühlt, wenn ich eine häufig gefahrene oder gelaufene Strecke nach einiger Zeit wieder nutze. Am Anfang der Strecke, weiß ich nicht, was mitten in der Strecke kommt. Aber das eine Merkmal an einer Ecke ruft in mir wach, wie es an der nächsten Ecke weitergeht.

……

Auf dem Rad schaffe ich auf diese Art Strecken von bis zu 50 Kilometer aus dem Gedächtnis. Aber ich kann die 50 Kilometer nicht beschreiben.

Ich habe mich gefragt, wie könnte ich es schaffen, dass ich die Wege aus dem Gedächtnis beschreiben kann. Nicht das ich darauf wert legen würde, aber die Frage schoss mir durch den Kopf. Denn das Phänomen ist ähnlich, wenn ich bestimmte Touren immer wieder fahre, als wenn ich Stücke immer wieder spiele, ich habe sie nicht so im Kopf, sodass ich es so aufschreiben könnte, dass es jemand anderes nachvollziehen könnte.

Die Antwort auf die spielerische Frage war, sobald ich das Ziel hätte, einen Weg aus dem Kopf beschreiben zu können, würde ich den Weg zwar auch abfahren, aber versuchen ihn mir einzuprägen. Ich würde an bestimmten Stellen absteigen und ihn genau mustern, woran man erkennt, dass man abbiegen muss. Ich würde vermutlich in meinem Kopf überprüfen, wo ich Gedächtnislücken habe und diese Stellen gezielt anfahren. Das kostet aber Zeit und Kraft.

Also ich würde versuchen, den Weg intensiver wahrzunehmen und mich mit ihm auseinanderzusetzen. Notizen machen usw. Aber grundsätzlich würde ich mich bemühen, meine Wahrnehmung der Wege zu verändern und mir Gelegenheit geben, das Wahrgenommene zu rekapitulieren.

Bloß bei Wegen erscheint mir das wesentlich offenkundiger als beim Gitarre spielen. Es gibt auch noch einen anderen Faktor. Jeder hat schon viele Wege gelernt und hat ein Konzept davon, worauf man achten könnte. Vermutlich gibt es sogar eine neuronale Vorprägung, worauf man achten könnte.

Aber ein Stück lernen? Für das Überleben in der freien Wildbahn auch gerade nicht wichtig. Deswegen gibt es vermutlich keine neuronale Vorprägung.

Ich lasse gerade einen Kleinen ein Stück auswendig lernen. Er meinte, als er spielte: „Eigentlich weiß ich nicht, wie der Abschnitt aufhört. Ich muss es spielen, dann fällt mir das Weitere ein.“

Daraufhin erzählte ich ihm das mit den Wegen. Aber er stellte eine interessante Frage: „Muss ich dann die Noten oder die Finger erklären können? Ich finde zwei Dinge daran interessant. Zu einem, dass ihm klar war, dass es mehrere Ebenen gibt, auf denen man beschreiben kann. Zum anderen, dass er nicht die Klangebene erwähnte.

Das Gespräch verlief noch sehr interessant weiter. Der Schüler sollte eine Passage spielen und mir aus der Erinnerung dann „die Finger erklären“. Er meinte: „Wieso muss ich das spielen? Das mit dem Erklären kann ich doch auch, wenn ich die Noten kenne.“

Ich würde das so übersetzten: „Ich muss mir nicht einprägen, was ich mache, weil ich mir denken kann, was ich mache.“

Wo liegt der Unterschied? Ich will es wieder an den Wegen erklären.

Bevor es GPS gab, war eines der Probleme, das die Karte eine Vorstellung erzeugte, die ich mit der Wirklichkeit in Einklang bringen musste. Der Karte entnahm ich, zweiter Abzweig links. Aber in Wald und Wiese hat man das Problem, dass vieles nach Abzweig aussieht, aber das nicht in die Karte eingetragen ist. (Das Problem war, dass nur bestimmte Wegetypen je nach Karte eingetragen werden/wurden.)

Also für das nächste Mal würde ich mir versuchen zu merken, woran erkenne ich den richtigen Abzweig wieder.

Beim Spielen kann es genauso sein. Die Noten erzeugen eine sinnliche Vorstellung, wie die Dinge sein sollen. Wenn ich spiele, mache ich vielleicht doch etwas anderes. Also muss ich das Zutuende beobachten.

Eine meiner fulminanten Entdeckungen, als ich mich in meinem Studium mit Feldenkrais beschäftigte, war, dass Fingerformen teilweise anders in Realität sind als ich sie mir vorstellte. Bloß gemerkt habe ich das erst, als ich gezielt Vorstellung und Wahrnehmung zu vergleichen.

Wie kann das sein? Man beobachtet das, wohin die Aufmerksamkeit fällt.

Was bedeutet das?

Persönlich finde ich es wichtig, wahrzunehmen, wie krumm die Finger sind, weil die Krümmung bestimmt, wo der Finger landet. Frage ich meine Schüler*Innen zum ersten Mal, ob sie wissen, wie ihr Finger an der Stelle gekrümmt sein muss, dann ernte ich Erstaunen, weil das Bewusstsein bei allen nur in den Fingerkuppen sitzt.

Meine Theorie ist, es gibt so etwas wie eine instinktive Aufmerksamkeitslenkung, die viele Informationen ausblendet, die hilfreich sein können.

Also nur Spielen, erzeugt nicht die Aufmerksamkeit auf das Zuspielende, sodass es sich so einprägt, sodann eine bewusst abrufbare Erinnerung entsteht. Dies ist nur möglich, indem man seine Aufmerksamkeit bewusst auf verschiedene Dinge lenkt.

Weiter, dass man übt, diese Erinnerungen abzurufen.

Teile diesen Beitrag von Gitarrenunterricht Frankfurt

Der Beitrag wurde am Freitag, den 9. Juni 2023 um 08:53 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .