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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Verstoß gegen die Ideallinie – „Moderne Gitarrentechnik“ von Thomas Offermann – Teil 4

Im letzten Artikel Verstoß gegen die Ideallinie – „Moderne Gitarrentechnik“ von Thomas Offermann – Teil 3 habe ich beschrieben, wie mich meine introspektiven Kriterien in Konflikt brachten mit den physiologischen Leitlinie die Offermann aufgestellt hat.

Eigentlich wollte ich mich in diesem Artikel mit der Frage auseinandersetzen, sollte man sich bei der Beurteilung von Haltungen eher auf sein Körpergefühl verlassen oder auf z.B. „Winkelangaben“ der Physiologie.

Diese Frage in meinem Kopf herumwälzend, verstieg ich mich zu der These, dass es nicht sinnvoll möglich ist physiologische Leitlinien für Haltungen am Instrument aufzustellen.

Dazu muss ich auf mein Hobby Radfahren zu sprechen kommen. Auch beim Radfahren geht es darum eine sinnvolle Haltung einzunehmen, damit die Hände nicht einschlafen, die Kniee nicht schmerzen, der Rücken länger durchhält.

Wie hilft man Radfahrenden, dass sie die richtige Haltung einnehmen? Sagt man ihnen, Du musst ein bis drei Körperwinkel richtig ausrichten und dann ist alles in Ordnung. Nein, man sucht einen passenden Rahmen für die Menschen aus und durch Lenker- und Sattelhöhe, Vorbaulänge, Lenkerkrümmung usw. kann man die Bedingungen, die der Rahmen vorgibt, feinjustieren.

Für Leute, die es besonders gut wissen wollen, die lassen sich professionell ausmessen, und schaffen sich dann ein maßgefertigtes Fahrrad an. Manche Leute sollen so ungewöhnliche Körpergeometrien haben, sodass ihnen, obwohl es tausendfache vorkonfektionierte Rahmengeometrien gibt, nur ein Maßrahmen übrigbleibt.

Also das Fahrrad soll so gestaltet sein, sodass der Körper die physiologisch geeignete Haltung einfach einnehmen kann oder muss.

Also jeder kann das Fahrrad bekommen, was zu seinem Körper passt.

Aber wie anders ist die Situation bei (Konzert)gitarren. Es gibt einen stark normierten Bauplan, dem sich Menschen von 1,50 Meter Größe bis 2 Metern oder mehr anpassen müssen. Hat man jetzt aber zwei gleich große Menschen, sind die Längenverhältnisse der Körperglieder und -teile unterschiedlich.

Wie viele Menschen können physiologisch einigermaßen sinnvoll an ihrem Instrument sitzen? Gitarrenbaupläne sind durch den Klang geprägt und nicht weil es physiologisch sinnvoll ist.

Prof. Dr. med. Christoph Wagner hat in seinem Buch „Hand und Instrument“ die Frage aufgeworfen, gibt es Körperbauten die für bestimmte Instrumente besser geeignet sind? Kann man ähnlich wie im Sport des ehemaligen Ostblocks messen, ob man Studierenden aufgrund ihres Körperbaues von einem Berufsweg abraten oder zuraten kann.

Er beschreibt in diesem Buch ein weiteres interessantes Phänomen. Wenn Instrumente neu entstanden, verlangten die Instrumente eigentlich selten physiologisch Schädliches. Aber dann entwickelte sich die Musik, damit die Spieltechnik. Diese neuen Spieltechniken waren dann schon physiologisch nicht mehr ganz so gesund. Die Instrumente wurden modifiziert, weil es neue Ansprüche an den Klang gab. Damit wurde das System Spieler-Instrument noch ungesünder.

Jetzt habe ich in meinem letzten Artikel dargestellt, verändere ich eine Gelenkstellung muss ich zwangsläufig andere Gelenkstellung verändern.

Leider bleibt gänzlich offen, wenn ich in einer physiologisch extrem unvernünftigen Situation bei einem Gelenk die physiologisch optimale Stellung erzwinge, ob dann die restlichen Gelenke eher entlastet oder zusätzlich belastet werden.

Man könnte das vielleicht sogar feststellen, aber ….

Hier ein Angebot eines kommerziellen Anbieters, der Menschen ausmisst, damit diese sich ein physiologisch sinnvolles Fahrrad kaufen können. Wer sich auf dieser Seite umsieht, wird feststellen, dass man doch einen erheblichen Aufwand an Messtechnologie auffahren muss.

Diese Technologie kann ein Musiker für sich selbst nicht auffahren.

Also wenn es physiologische Erkenntnisse so formuliert werden können, dass man in der schädlichen Situation des Instrumentalspiels das kleinste Übel finden kann, ist der technische Messaufwand zu hoch, um diese Erkenntnisse umzusetzen.

Es gibt aber auch eine Notwendigkeit, falls man solche Erkenntnisse formulieren kann, wie sie formuliert sein müsste. Das sind nicht Formulierungen, wenn Du das Gelenk so und so einstellst ist für jeden Menschen in dieser Situation alles in Ordnung. Aber zu dieser Darstellung neigt Offermann.

In gewisser Weise habe ich jetzt doch auch ein wenig die Frage beantwortet, die ich eigentlich nicht vorhatte zu beantworten. Letztendlich bleibt einem nichts anderes übrig, als das Körpergefühl zur Messlatte für die Gesundheit seiner Haltung zu nehmen.

 

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 28. Juni 2019 um 08:36 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Buchbesprechung, Forschung, Gitarre lernen, Gitarrentechnik, Gitarrenunterricht, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .