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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Von Schnecken und Raketen

Ich habe momentan einen Stapel Drittklässler, die sich teilweise von Schulhöfen, Vereinen oder Kommunionsunterricht kennen. Man tauscht sich aus, vergleicht wo man ist.

Dass Schüler schneller lernen, als andere ist klar. Das war eigentlich auch kein Thema, denn es gab nicht diese Konstellation, wie ich sie gerade jetzt erlebt habe. Schülerin kommt rein und stellt fest, dass die Schülerin davor genau das gleiche lernt, wie sie, aber wesentlich kürzer lernt. Das eine Kind hat ungefähr ein halbes Jahr dafür gebraucht, wofür das andere Kind eineinhalb Jahre brauchte. Beide sind Kannkinder und damit auch noch fast gleich alt.

Doch was für Faktoren führen zu dieser Diskrepanz:

Anatomie

Fingerkuppen

Die eine Schülerin hat relativ dicke und flache Fingerkuppen. Sie muss einfach nur greifen und es passt. Die andere Schülerin hat sehr dünne Finger und sehr spitze Finger. Sie muss extrem genau sein, damit der Ton nicht scheppert.

Koppelungen

Von Kopplungen spricht man, wenn eine Bewegung eine andere Bewegung auslöst. Diese Kopplung kann anatomisch begründet sein oder neuronal. Aber sie können sehr störend sein, weil die Finger nicht dableiben, wo sie bleiben sollen.

Es gibt Menschen, bei denen sind diese Kopplungen sehr gering, es gibt andere die müssen dagegen ankämpfen.

Zu beiden Punkten muss man sagen, manche Schüler haben das Glück, dass ihnen ihr Körper nicht im Weg steht, andere müssen gegen ihren Körper gewaltig ankämpfen.

Psychologie

Selbstdisziplin

Als die langsamere Schülerin, bemerkte, dass sie gerade überholt werden würde, beschloss sie, weniger zu plappern. Jeder in ihrem Umfeld fängt zu zum grinsen an, wenn diese Schülerin sagt, sie wolle weniger reden.

Sie gehört zu der Sorte Kind, die jedem sehr ausgiebig ihr Herz ausschütten muss. Mir wurde schon in der zweiten Stunde erzählt, dass sie gerne eine große Schwester hätte. Die könnte dann mit ihr spielen, denn die Mama würde immer auf dem Tablet Politik lesen.

Also war spannend zu sehen, ob sie das schaffen würde. Natürlich wollte diese Schülerin trotzdem berichten, wer sie am Vormittag in der Schule geärgert hatte. Auf den Einwand, sie wolle nicht mehr plappern, damit sie schneller vorankomme, reagierte sie dann mit: Vielleicht dann lieber doch nicht.

Kognitive Fähigkeiten

Beide Kinder sind gerade beim Thema Achtel. Also geht es auch immer wieder darum, wie viele Achtel passen in einen anderen Notenwert.

Beide haben diese Notenmessschablone. Bloß es ist halt immer etwas zeitraubend, die auszupacken, die Teile aufeinanderzulegen, usw. Also bitte ich die Kinder, sich eine Pizza oder die Messschablone vorzustellen.

Das eine Kind kann das problemlos, das andere Kind kann das nicht. Sie hat sich auch schon bei mir darüber beklagt, wie schwer es ihr es fällt, sich bestimmte Dinge nur im Kopf vorzustellen.

Das eine Kind hat „Räubertochter Ronja“ gelesen, dem anderen ist das Buch noch zu kompliziert.

Mut

Wegen der Unterschiede, die sich auch im Rest des Lebens der beiden zeigen. Gibt die eine Schülerin nicht so schnell auf, wie die andere.

Vernunft/Motivation/Gehorsam

Ich versuche meinen Schüler*Innen Übemethoden zu vermitteln. Problem an Übemethoden, die Stücke werden schneller besser und die Sicherheit im Vorspiel steigt, aber sie sind nervig.

Den meisten Schülern ist schon klar, dass diese Methoden etwas bringen. Aber manche boykottieren sie ganz offen, weil doof. Andere machen ziemlich genau das, was ich will.

Ich fasse diese „Complience“ mit den Übemethoden unter diesen drei Punkten Vernunft/Motivation/Gehorsam zusammen, weil je länger ich diese Arbeit mache, desto immer weniger klar wird mir, warum manche Kinder eher bereit sind das zu tun, was ich ihnen empfehle, als andere Kinder. (Bei den Erwachsenen ist es nicht wesentlich anders.)

Wie damit umgehen?

Zum Glück habe ich zum ersten Mal, dass zwei Kindern diese Unterschiede so direkt vor Augen geführt bekommen.

Momentan sieht es so aus, dass sich die langsamere Schülerin das nicht so zu Herzen nimmt, wie man befürchten könnte. Aber andererseits kennt dieses Kind auch seine Schwächen, aber es macht nicht daraus, ich bin dumm, sondern ich müsste mutiger, weniger mitteilungsbedürftig sein, usw.

Wenn wir dann mal wieder auf so einen Punkt stoßen, und ich sie dann frage, wolltest Du eigentlich nicht …, damit Du schneller bist. Dann kommt meist: “Ja, aber anders sein, ist auch schwer.“ Sie scheint zu verstehen, dass sie sich ziemlich verbiegen müsste, für das schneller Lernen. Und das gefällt ihr auch nicht. Dann doch lieber langsam.

Vielleicht kommt aber jetzt die Frage, macht es Sinn so ein langsames Kind zu unterrichten. Meiner Meinung nach grundsätzlich ja. In meiner Ausbildung wurde mir gesagt: „Sie werden sehen, dass denen, die sich am schwersten tun, am meisten an der Sache hängen.“ Und das hat sich auch in meiner Unterrichtserfahrung bestätigt. Meine treusten und längsten Schüler, sind eher die, die sich nicht leicht tun. Wenn ich ehemalige Schüler treffe, spielen eher noch die, die sich etwas erkämpfen mussten.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 10. Mai 2019 um 08:17 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Kinder, Musikalität abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .