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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Warum Du, aber die nicht?

Wenn man Schüler von anderen Lehrern übernimmt, steht immer etwas virulent das Thema im Raum, warum man als neue Lehrkraft die Dinge anders handhabt. Wobei in meiner Erfahrung es nicht so ein großes Problem ist, weil bei mir die meisten Wechsler aus Unzufriedenheit mit dem bisherigen Lehrer mich als neuen Lehrer anfragen.

Jetzt hatte ich aber eine Konstellation, die mich etwas sehr besorgt gemacht hat. Es handelte sich um zwei Jungs, die seit fünf Jahren und damit seit der ersten Klasse Unterricht für klassische Gitarre hatten. Sie hatten etwas Pech, weil der erste Lehrer ging in Rente, dann der zweite und dann kam ein dritter Lehrer. Weil sie an der Musikschule Schirn Unterricht hatten, kam zu diesem Pech noch, eine sehr lange Phase während Corona mit Onlineunterricht. (Ich als privater Lehrer musste nur einige Wochen hinter dem Bildschirm verbringen.)

Die verwendeten Schulen waren die Teuchert Fibel und die Fridolin-Schule.

Man war nicht fachlich mit dem letzten Lehrer unzufrieden, sondern sein Unterrichtsverhalten. Wenn ich es richtig verstanden habe, sehr lange Toilettenpause und ein sehr komisches Abschlussspiel, was nichts mit Gitarre zu tun hatte. De facto gab es ca. 25 Minuten Unterricht bei 45 Minuten Unterrichtszeit. So wurde es mir zumindest kolportiert.

Das erste Stück fing so an:

Ich zählte “3 und 4 und 1 und” und die zwei waren verwirrt. Sie sagten mir, ihre bisherigen Lehrer hätten immer bei jedem Stück “1, 2, 3 und” eingezählt. Weiteres Nachfragen meinerseits ergab, dass ihnen vollkommen unbekannt war, dass es so etwas wie Zählzeiten gäbe und sich entsprechend das Einzählen verändert.

Weiter fiel auf, dass bei allen Stücken vor allen Noten die Fingersatzzahlen standen.

Die Erklärung war, wenn sie das Stück in der nächsten Stunde nicht konnten, wurden die Zahlen davor geschrieben, dann hätten sie die Stücke spielen können. Bei allen Stücken, die sie dabei hatten, standen Zahlen.

Dann spielten mir beide vor. Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich die Noten hier nicht einblenden. Es waren einfache zweistimmige Stücke ohne Vorzeichen, mit leeren Bässen und aus Achtel und Viertelnoten. Punktierungen kamen nicht im Stück vor. Es waren einfachere Stücke als mit denen im Fridolin die Zweistimmigkeit eingeführt wird.

Rhythmisch waren die Sachen korrekt und auch relativ flott. Aber der Daumen der linken Hand saß irgendwo und sprang fröhlich hinten am Hals herum.

Aber was mich am allermeisten verblüffte, war die rechte Hand. Beide spielten nur mit dem i-Finger. Der eine mit freiem Anschlag. Der andere mit angelegtem Anschlag, wobei sich fortwährend Daumen und i-Finger berührten.

Als ich nachfragte, erfuhr ich, man würde Wechselschlag und die beiden Arten des Anschlages kennen. Aber nachdem sie das gelernt hätten, hätten eigentlich keiner der drei Lehrer Anforderungen gestellt, was in der rechten Hand gemacht werden soll.

Das war das Neue für mich. Normalerweise ist es so, dass die Schüler bei einer Übernahme bei technischen Themen sagen, ich sollte darauf achten, aber es könnte besser sein.

Also, sie wissen, dass es eine Aufgabe gibt. Das macht das Leben einfach, ich stelle keine neuen ungehörten Aufgaben in den Raum, sondern zeige neue und andere Strategien, wie man diese Aufgaben bewältigt. Wenn meine Strategien besser verglichen zu den Strategien des vorherigen Lehrers funktionieren, dann ist alles in Ordnung.

Bloß diesen Jungs müsste ich klarmachen, dass es Aufgaben gibt, von denen sie von drei Lehrern fünf Jahre lang nichts gehört haben. Also von vier “Experten” motzt nur einer rum. Wer ist aller Wahrscheinlichkeit und Regel der Schwätzer? Der Motzer! In dem Fall ich!

Also habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie könnte ich den Jungs z.B. klarmachen, dass Wechselschlag wichtig ist. Meine erste Idee war, präsentiere ihnen mehrere Lehrwerke für klassische Gitarre, bzgl. des Wechselschlages. Meine verblüffte Feststellung, das könnte ein Schuss sein, der nach hinten losgeht.

In allen Schulen wurde der Wechselschlag als solcher erklärt. Aber es wurde sehr selten geklärt, dass das Wechselschlagprinzip ein sehr wichtiges Prinzip für die klassische Gitarre ist. Bei 15 Schulen taten das nur zwei. Einmal die Kreidler-Schule und die Schule von Michael Langer. Die Kreidler-Schule notiert bei den ersten paar Tönen bei allen Stücken, die gewünschte Wechselschlagvariante. Letztendlich gilt das auch für andere technische Sachverhalte. Sie werden meist erklärt, aber ihre Bedeutung oder wann man sich an sie halten soll, wird nicht verdeutlicht.

Letztendlich wurde mir dadurch klar, dass solche Dinge durch den erfahrenen Unterricht ihre Bedeutung bekommen.

Da ich mit den zwei Jungs einen Kennenlerntermin hatte, bekam ich dann den Anruf der Eltern, die während des Probeunterrichtes mit im Raum waren. “Es wäre klar geworden, dass in den fünf Jahren Unterricht viel versäumt worden sei. Die Jungs hätten mich ganz in Ordnung gefunden, aber sie, die Eltern hätten Angst, sie würden die Freude am Gitarrenunterricht verlieren.”

Und ich kann nicht verhehlen, dass ich ähnliche Befürchtungen hegte.

Aber damit stand die Frage für mich im Raum, wäre es vielleicht schlauer nicht (so stark) auf technische Sachen zu bestehen. Scheint ja schlecht für das Geschäft zu sein und auf die Position, dass die drei anderen Kollegen Versager sind, kann ich mich auch nicht so einfach zurückziehen.

Das Problem im Instrumentalunterricht ist, was ist möglich? Ich kenne viele Gespräche mit Kollegen, in denen es sich um die Frage dreht, was ist möglich? Und es ist immer nur das möglich, was dieser Lehrer hinbekommt. Das gilt für mich ebenso.

In meinen Anfangszeiten habe ich viel vertreten. Es fiel schon auf, wie unterschiedlich die Level zwischen den einzelnen Lehrkräften waren.

Bei der Fachbereichsleiterin einer meiner ersten Musikschulen stapelten sich die Bundespreisträger für “Jugend musiziert”. Es fiel aber auch auf, dass die Unbegabten ihre Sachen, wenn auch nicht sonderlich schwierig, ordentlich im Sinne der Gitarrentechnik konnten.

Wäre ich nicht an dieser Musikschule gelandet, wäre meine Forderung an Schüler eine andere. Ich habe gesehen, was möglich ist.

Weiter wurde in meiner Ausbildung im Methodikunterricht und den Lehrproben darauf insistiert, dass an solchen Dingen gearbeitet wird. In dem Unterricht, den ich erlebt habe, wurde immer auf solche Dinge geachtet. Also mir wurde ein Wertesystem mitgegeben, was ich weitergebe.

Ich habe das Erarbeiten dieser Dinge in dem von mir gegebenen Unterricht auch nie als große Schwierigkeit wahrgenommen.

Bloß wenn ich sehe, dass lang gediente Lehrkräfte sich um solche Dinge nicht kümmern, stelle ich mir die Frage, warum machen die das und ich nicht? Ist das sinnvoll, was die machen? Könnte es sein, dass ich Sinnloses mache?

Eigentlich muss ich mir die Frage nicht stellen, ich kann sie mir stellen, aber werde keine Antwort darauf bekommen. Es stellt sich die Frage, wo lernen die Schüler auf lange Sicht besser Gitarre zu spielen? Man mittlerweile ziemlich viel herausfinden. Aber wie die Schüler dieser Kollegen im Allgemeinen so spielen, konnte ich nichts herausfinden. Also keine Überfliegerlehrer, die man als Orientierung in Betracht ziehen sollte.

Drehen wir die Situation um. Schüler von mir gehen zu diesen Lehrern. Wenn jetzt die Reaktion der Schüler ist: “Sie kritisieren sehr wenig, deswegen will ich bei ihnen nicht anfangen.”, wie findet der Kollege heraus, ob er zu wenig kritisiert oder ich zu viel, ob er vielleicht etwas ändern soll?

Und er hätte dasselbe Problem wie ich, er könnte sich wahrscheinlich nicht vorstellen, wie meine Schüler im Schnitt so sind. Weiter, wie dieser ganz andersartige Unterricht funktionieren kann und soll. Und er könnte sich gar nicht erklären, wie er zu dieser Andersartigkeit gekommen ist.

Was bleibt, wäre, dass ich meinen Unterricht höchstens auf das überprüfen kann, was ich an den beiden gut fand, und versuchen, dass sich dies in meinem Unterricht in diese Richtung verändert.

An den beiden Jungs fand ich gut, wie rhythmisch gut und flott ihrer Stücke konnten. Rhythmisch sicher sind meine Schüler auch, aber nicht so flott. Aber wenn dies der Preis ist, dann ist der meiner Meinung nach deutlich zu hoch.

Denn ich legte den beiden eine Bearbeitung des Stückes “Kol Dodi” auf den Notenständer und wollte, dass sie diesen Takt mit Wechselschlag spielen.

Das Ergebnis war, sie bekamen es in 10 Minuten nicht hin. Also ohne Rhythmus ganz langsam ging es, aber dann mit Rhythmus in einem langsamen Tempo, war nicht zu erreichen.

Weiter waren beide unsicher, wie das g zu spielen sei. Sie rückversicherten sich, wie es zu spielen sei. Ich fand dies bemerkenswert, weil im Fridolin und in der Fibel ist das g die zweite Note, die man lernt. In der Gitarrentasche lag die dritte Gitarrenschule für Kinder. Und wieder ein erster Band.

Wobei ich feststellen konnte, der Stoff vom Fridolin bis Seite 60 bei denen beiden nicht sicher sitzt. Ich habe ihnen eine Melodie mit dem zu beherrschenden Tonumfang hingelegt. Über die Hälfte der Töne der ersten zwei Takte mussten geklärt werden, wie sie den gespielt werden.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 12. Januar 2024 um 08:58 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Kinder abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .