Stimmgerät, was nun? – Teil 3
Nach dem letzten Artikel stellt sich die Frage, mit was stimmt man genauer? Stimmgerät oder Ohren?
Nehmen wir als Erstes Sinustöne. Meine DAW kann als kleinsten Tonunterschied 0,025 Cent darstellen. Bei dem A der A-Saite macht das einen Unterschied von 0,001588 Hz. Diesen Unterschied kann ein Stimmgerät messen. Das Problem ist aber, ob die Ausgabe für solch kleinen Werte ausgelegt ist.
Das Ohr kann diesen Unterschied auch hören, wenn ich durch einen weiteren 110Hz Ton eine Schwebung erzeuge. Diese Schwebung dauert, bis sie komplett ein- und ausgeklungen ist, knapp 10,5 Minuten.
Aber auch hier gibt es ein Problem. Wie wird der Ton dargeboten? Je lauter, desto schneller bemerke ich die Schwebung. Aber ich konnte auch feststellen, je mehr ganzzahlige vielfache Sinusobertöne ich den Grundschwingungen hinzufügte, desto leichter und schneller konnte ich die Schwebung hören.
Dabei kamen Werte zwischen sechs Sekunden und einer Minute heraus. Der letzte Wert ist aber für den Alltag ein kaum praktikabler, weil dann ein realer Ton auf einer Gitarre schon längst verklungen ist.
Dies hat sich dann auch gezeigt, als ich mit realen Klängen experimentierte. Das Stimmgerät war wie schon früher festgestellt nicht in der Lage einen definierten Wert anzuzeigen. Bei manchen Tönen zeigten die Stimmgeräte eine Wertespanne von bis zu 10 Cent an. Bei anderen Tönen war es eine Spanne von zwei Cent.
Je nachdem wie die Werteausgabe eines Stimmgerätes ist, würde ich aber sagen, man kann eine Genauigkeit von 0,5 Cent höchstens erreichen, wenn es darum geht, dass zwei Saiten sauber zu einander gestimmt sind. Für realistisch halte ich eher ein Cent.
Ab und zu schenkt einem das Leben dir richtige Geschichte im richtigen Moment. Ein Schüler fand das familieneigene Stimmgerät nicht mehr und er hatte sich eine Stimmapp heruntergeladen. Aber die würde permanent so schwankende Werte anzeigen, da wüsste man gar nicht, wann man den richtigen Ton erreicht hat.
Also stimmte ich mit ihm nach Ohren.
Ich verstimmte eine Saite, schlug diese Saite und die Vergleichssaite an und stellte die Frage: „Schief? Ja oder nein?“ Dann verbesserte ich die Stimmung und fragte besser oder schlechter.
Bei weniger als ca. drei bis vier Cent Abweichung zum Kontrollton konnte der Schüler keine Qualitätsunterschiede mehr feststellen.
Dann verwies ich ihn auf die Schwebung. Ich würde sagen, wir kamen auf ein halbes bis viertel Cent an die richtige Tonhöhe heran.
Bei meinen anderen Schülern kam ich zu ähnlichen Ergebnissen, bis auf zwei Schüler, die medizinische Probleme mit ihren Gehörgängen haben. Die gaben bei einem Cent auf.
Der aufmerksame Leser wird die Frage stellen, wie ich das festgestellt habe, wo doch ein Stimmgerät nicht geeignet ist, solche Diskrepanzen festzustellen.
Am Tempo oder Verhalten der Schwebung. Ich hoffe, dass ich mir genügend Schwebungsbeispiele in meiner DAW angehört habe, dass ich ein Gefühl für das Tempo der Schwebungen habe.
Jetzt gibt es Stimmsoftware, die auch noch den aufgezeichneten Pegel des gemessenen Tons anzeigt. Dabei konnte ich feststellen, wenn ich mich auf die Werte eines Intensitätsfenster beschränke, dann sinkt die Wertespanne drastisch. Teilweise traten Spannen von nur 0,3 Cent auf.
Also habe ich versucht, damit meine Gitarre und elektronischen Softwareinstrumente damit zu stimmen.
Also die Ergebnisse sind besser, aber die Schwebungen sind trotzdem stärker als wenn ich diese mit den Ohren rausdrehe.
Es gibt aber auch ein weiteres Problem mit Stimmgeräten. Es ist einfach nicht klar, wie sie messen.
Ich habe mehrere Stimmapps, die sind der festen Überzeugung, dass das c auf meiner A-Saite sieben Cent zu tief ist. Andere Programme sind einheitlich der Meinung es sind nur drei Cent.
Stimme ich dann das c’ auf der h-Saite schwebungsfrei/arm zum c der A-Saite, dann meint die erste Gruppe der Stimmapps dieses c wäre um sieben Cent falsch zum Vergleichston, die zweite Gruppe meint das C wäre null Cent falsch zum Vergleichston.
Also eine Gruppe von Software meint zwischen zwei schwebungsfreien/armen Tönen wären sieben Cent Unterschied. Die andere Gruppe meint es wären null Cent Unterschied.
Ich habe auch noch einige FFT-Programme (FFT ist vermutlich der Basisalgorithmus für Stimmgeräte) ausprobiert. Durch das Verändern der Genauigkeit, bekam ich unterschiedliche Messergebnisse. Witzigerweise als ich die Genauigkeit erhöhte, wurden aus den 110Hz meiner A-Saite plötzlich 105Hz.
Man könnte jetzt auf die Idee kommen, ein erfahrener Hersteller von Stimmgeräten würde diese Ausgabeprobleme minimieren und Softwareprobleme ausmerzen.
Peterson gilt meiner Wahrnehmung nach als Hersteller von hochwertigen Stimmgeräten. Für ihre elektromechanischen Stimmgeräte ruft diese Firma vierstellige Beträge auf. Andere Firmen haben noch teuerere Stimmgeräte für Klavierstimmer im Angebot.
Aber genau die Stimmapp von Peterson gehört zu den Stimmapps, die zwischen dem schwebungsfreien c und c’ meiner Gitarre sieben Cent Unterschied misst.
Wenn in der App derselbe Algorithmus wie in den elektronischen Stimmgeräten von Peterson verwendet wird und man solche Probleme nicht bemerkt, wie sieht es bei anderen Herstellern aus?
Diese Frage stelle ich mir insbesondere deswegen, weil bei meinen Recherchen bin ich auf Untersuchungen gestoßen, bei denen andere Algorithmen auf ihre Tauglichkeit akustische Frequenzen zu messen getestet wurden.
Was hat man genommen? Sinustöne und Stimmgabel, welche ähnlich zu Sinustönen sind. Aber wie schon festgestellt, da ein Ergebnis zu bekommen, was der Ausgabe entspricht, ist kein großes Kunststück. Denn es gibt keine “Trübungen” und “Störungen” des Frequenz- und Tonverlaufes.
Wenn aber die Stimmgerätehersteller ihre Produkte mit ähnlich leicht messbaren Material testen, heißt das anscheinend, dass das noch lange nicht in der musikalischen Realität funktionieren muss.
(Ich komme mir gerade ein wenig wie bei Autos und ihren Abgastesten vor. Auf dem Prüfstand ist alles bestens.)
Der Beitrag wurde am Freitag, den 8. Februar 2019 um 08:29 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Elektronik, Gehör, Gitarre lernen, Gitarre stimmen, Gitarrenunterricht, Instrumente, Kinder, Musiktheorie, praktisch, Software abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .