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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Die Überrevolution?

Ich bin auf den Artikel „Wissenschafter erklären, wie man das Klavierspielen richtig übt – Pausen sind der Schlüssel zum Erfolg“ aus der NZZ gestoßen.

Bemerkenswert finde ich, dass der Artikel mir durch den Pocketdienst von Firefox vorgeschlagen wurde. Dort werden Artikel aufgeführt, die bei verschiedenen Onlinemedien viel gelesen werden. Dass man mit Artikel zum Üben Klicks erzeugt, hätte ich nicht geglaubt.

Diesen Artikel hätte ich nicht gelesen, wenn ich nicht dem Irrtum verfallen gewesen wäre, es wäre ein Artikel vom Onlineangebot der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“.

Mich stört an dem Artikel einiges. Im Teaser steht die Frage „Doch wie übt man am besten?“. Im Artikel kommt dann die Antwort durch Pausen. So einfach ist das Leben also? All das Bemühen effektive Übemethoden zu finden, ist obsolet geworden?

Im NZZ-Artikel steht:

„Die für die Abfolge von Fingerbewegungen charakteristische Aktivität der Neurone wird mehrfach wiederholt. Dies geschieht wie in einem Zeitraffer, in 20-facher Geschwindigkeit, ….”

Dies wirkt beeindruckend. Aber soll man das wollen? Denn es bleibt die Frage unbeantwortet, was genau wird da wiederholt. Wenn ich einen schlechten Bewegungsablauf gemacht habe, wird der dann auch vertieft? Anfänger können sehr gut sehr viele schlechte Bewegungsabläufe machen. Dann würde man diese durch dieses System vertiefen.

Weiter heißt es in dem Artikel als Beweis für die Effizienz:

„Nach diesen Pausen konnten die Teilnehmer die Tastenabfolge jeweils viel schneller wiedergeben als vor der Pause.“

Leider bleiben da bestimmte Fragen unbeantwortet.

Die Tastenabfolge wird leider nicht genauer beschrieben. Wie lange ist diese? Tritt der Effekt nur bei bestimmten Längen, vermutlich eher Kürzen, auf. Oder müssen die Pausen der Länge des Abschnittes angepasst werden?

Wenn zum Beispiel eine sehr kurze Stelle, sagen wir von drei Tönen nicht funktioniert, soll man da wirklich immer zehn Sekunden warten.

Natürlich bin ich verführt, das für mein eigenes Üben auszuprobieren. Aber, dafür bietet der Artikel zu wenig Informationen, sodass ich eine Orientierung hätte, wie ich das im praktischen Alltag anwende.

Das Problem Übertragung auf den Alltag stellt sich auch in anderer Hinsicht.

„Im vorliegenden Experiment konzentrierten sich die Teilnehmer lediglich für 10 Sekunden auf einen Bildschirm mit einem Fixationskreuz. „

Wenn ich jetzt vor meinen Noten sitze und zähle langsam bis Zehn, stört das dann den Prozess?

Weiter gibt es die Theorie, dass der Erwerb von Präzisionsbewegungen, die eine hohe Reproduktionssicherheit haben sollen, sicherer gelernt werden, wenn sich die Übenden gegen die natürlichen Automatisierungstendenzen wehren können.

Ich warne meine SchülerInnen sehr häufig davor, diesem natürlichen Schnellerwerden, der vielleicht durch diese Methode beschleunigt wird, nachzugeben.

Hat der kurzfristig festgestellte Erfolg auch Folgen auf lange Sicht. Wie sieht es schon zum Beispiel am nächsten Tag aus?

Letztendlich bleibt die Frage, gab es eine Kontrollgruppe, um festzustellen, wie sich die beiden Gruppen auf der Bühne schlagen?

Es scheint ja so, dass es eine Kontrollgruppe gegeben hat. Es wird aber nicht beschrieben, wie die Kontrollgruppe wiederholt hat. Denn viele Schüler*Innen, insbesondere Anfänger*Innen, neigen dazu, sich ohne Sinn und Verstand und damit auch Pause in den nächsten Versuch zu stürzen. Da führt meistens nur dazu, dass Chaos entsteht und die Konzentration leidet. Ich empfehle meist nach jedem Versuch eine kurze Pause, damit sich die Konzentration sammeln kann.

Also vielleicht ist die in der Pause gemessene Neuronenaktivität gar nicht der Grund für das bessere Ergebnis, sondern die Wirkung der Pause auf andere Faktoren. Oder das Abklingen der Neuronen ist nur eine andere Beschreibung für, das Gehirn muss sich für den nächsten Versuch aufnahmebereit machen.

Dann noch ein Standardeinwand. Das ganze funktionierte unter Laborbedingungen, funktioniert es auch beim wirklichen Üben?

Mir ist natürlich nicht entgangen, dass die komplette Studie verlinkt worden ist. Ich könnte diese ja lesen. Aber Corona hat uns ja eine bestimmte Studienkompetenz vermittelt. Jetzt all die Sachen abzuklopfen, um die Studie einzuordnen, das ist für den vermuteten Nutzen einfach zu viel.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 24. September 2021 um 08:48 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Lernen, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .