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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Dehnpolitik

Dieser Artikel beinhaltet weiterführende Gedanken zu meinem letzten Artikel Die richtige Größe (Mensur) einer Gitarre bestimmen.

In den letzten Jahren tauchte da eine Frage in mir auf, ob das mit den kleinen Gitarren nicht auch schädlich sein könnte. Diese Frage wurde sehr virulent, als ich Videos über das Training von russischer Sportgymnastik sah. Kurz gesagt, Beweglichkeit und Dehnfähigkeit kommen nicht davon, wenn man fortwährend im Komfortbereich bleibt. Verhindern Schülergitarren, dass man später eine 65 cm Mensur spielen kann, weil die Dehnung der Hand zu wenig beansprucht wird?

Ich kann die Finger in Spielhaltung zwei Zentimeter weiter spreizen als rechts. Da stellt sich die Frage, kommt das durch meine Spielmenge, aus meiner Neigung gerne Fingersätze mit Überdehnung statt mit Sprüngen zu spielen. Oder erreichen das auch Hände eines wenig ambitionierten Laien?

Mehr oder wenige lustige, aber vielleicht erhellende Geschichte am Rande. Ich habe mir mal das Kahnbein gebrochen, weil ich mich bei einem Sturz mit den Händen abgefangen habe. Es gibt einen Dehntest, um festzustellen, ob das Kahnbein gebrochen sein könnte. Ich habe diesen Test mit angebrochenen Kahnbein bestanden, weil ich mit angebrochenen Kahnbein so weit dehnen kann, wie andere nur ohne Bruch.

Also muss man die Schüler vielleicht doch etwas mehr auf die Streckbank legen?

Andererseits, ich erinnere an die Schülerin des letzten Artikels, die der Vorlehrer von 52-cm Menusr direkt auf 65-cm-Menusr geschickt hat. Sie hat all die Probleme, die ich postuliere, wenn man eine zu große Mensur spielt. Die linke Hand wackelt bei jedem Ton. Die Finger bleiben nicht auf dem Griffbrett. Sie hat mit neuneinhalb Jahren Probleme, mit dem ersten und dritten Finger einen Ganzton am dritten Bund einer 52 cm Gitarre zu greifen.

In den obengenannten Trainingsvideos der rhythmischen Sportgymnastik trainierte man den Spagat nicht auf dem Boden sitzend. Sondern die Füße befinden sich in Spagathaltung auf zwei Stühlen und der Oberkörper drückt die Beine durch.

Um in diesem Bild zu bleiben, ich habe den Verdacht der Vorlehrer wollte so eine Art hartes Spagatraining machen, hat aber meiner Meinung nach der Schülerin einfach die Stühle mit weggezogen.

In dem Zusammenhang kommt in mir die Frage auf, warum hat das Mädchen als Viertklässlerin an einer 52er Mensur erst nur ab dem dritten Bund eine gute Handhaltung ? Entweder hat das Mädchen anatomisch eine schlechte Dehnfähigkeit oder sie konnte keine entwickeln, weil ihr die Stühle, also der Halt fehlte, weil die Abstände zu groß waren.

Wie dem nun sei, ich habe ihre Werte eingegeben und zu meinem Schrecken festgestellt, wenn meine Prognosemethode stimmt, dann wird dies Schülerin geradeso in eine 58 cm Mensur hineinwachsen. Daraufhin habe ich die Werte einiger SchülerInnen in diese Tabelle eingegeben und stellte fest, bei ziemlich vielen Mädchen steht infrage, ob sie locker später eine 63 cm Mensur spielen können. Bei den Jungs ist eigentlich bei fast allen klar, 65 cm ist kein Problem.

(Als ich aber die Schwankungen bei manchen Endgrößen, obwohl die Endkörpergröße ähnlich war, gesehen habe, habe ich mir die Frage gestellt, ob es vielleicht nicht gut wäre, wenn es bei Schülergitarren pro Mensur nicht zwei Korpusgrößen gäbe.)

Also ich persönlich arbeite mit Kapodaster, der allmählich nach unten wandert. In letzter Zeit habe ich junge Schüler*Innen von jüngeren Kollegen von meiner Hochschule gesehen, die ohne Kapodaster arbeiten. Meine Dozenten sind nicht mehr da.

Also habe ich mir die Frage gestellt, vielleicht fängt man nicht mit Kapodaster an und lässt gleich am ersten Bund spielen und wartet bis zur nächsten Gitarrengröße. Die geeigneten Mensuren für Erstklässler gibt es mittlerweile.

  1. Bund 2. Bund 3. Bund 4. Bund 5. Bund 6. Bund 7. Bund 8. Bund
65 cm 6,7 cm 6,3 cm 6,0 cm 5,6 cm 5,3 cm 5,0 cm 4,7 cm 4,5 cm
63 cm 6,5 cm 6,1 cm 5,8 cm 5,5 cm 5,1 cm 4,9 cm 4,6 cm 4,3 cm
58 cm 6,0 cm 5,6 cm 5,3 cm 5,0 cm 4,7 cm 4,5 cm 4,2 cm 4,0 cm
52 cm 5,4 cm 5,1 cm 4,8 cm 4,5 cm 4,3 cm 4,0 cm 3,8 cm 3,6 cm
48 cm 4,9 cm 4,7 cm 4,4 cm 4,2 cm 3,9 cm 3,7 cm 3,5 cm 3,3 cm
44 cm 4,5 cm 4,3 cm 4,0 cm 3,8 cm 3,6 cm 3,4 cm 3,2 cm 3,0 cm

Man sieht, die Sprünge betragen ungefähr 5 – 6 mm.

Jetzt die Prognosetabelle für den Jungen mit der Patentante aus dem letzten Artikel.

5,5 Jahre 114,5 cm Dehnung zwischen 1 und 3 greift am 1. Bund greift am 2. Bund greift am 3. Bund greift am 4. Bund
6 Jahre 117,8 cm 4,5 mm 43,5 cm 46,0 cm 48,8 cm 51,7 cm
6,5 Jahre 121,1 cm 4,6 mm 44,7 cm 47,3 cm 50,2 cm 53,1 cm
7 Jahre 124,5 cm 4,7 mm 45,9 cm 48,7 cm 51,6 cm 54,6 cm
7,5 Jahre 127,8 cm 4,9 mm 47,1 cm 49,9 cm 52,9 cm 56,1 cm
8 Jahre 130,8 cm 5,0 mm 48,3 cm 51,1 cm 54,2 cm 57,4 cm
8,5 Jahre 133,6 cm 5,1 mm 49,3 cm 52,2 cm 55,3 cm 58,6 cm
9 Jahre 136,4 cm 5,2 mm 50,3 cm 53,3 cm 56,5 cm 59,8 cm
9,5 Jahre 139,0 cm 5,3 mm 51,3 cm 54,3 cm 57,6 cm 61,0 cm
10 Jahre 141,6 cm 5,4 mm 52,2 cm 55,3 cm 58,6 cm 62,1 cm
10,5 Jahre 144,1 cm 5,5 mm 53,2 cm 56,3 cm 59,7 cm 63,2 cm
11 Jahre 146,7 cm 5,6 mm 54,1 cm 57,3 cm 60,7 cm 64,4 cm
11,5 Jahre 149,4 cm 5,7 mm 55,1 cm 58,4 cm 61,8 cm 65,5 cm
12 Jahre 152,2 cm 5,8 mm 56,2 cm 59,5 cm 63,0 cm 66,8 cm
12,5 Jahre 155,4 cm 5,9 mm 57,3 cm 60,8 cm 64,4 cm 68,2 cm
13 Jahre 159,1 cm 6,0 mm 58,7 cm 62,2 cm 65,9 cm 69,8 cm
13,5 Jahre 163,1 cm 6,2 mm 60,2 cm 63,7 cm 67,5 cm 71,6 cm
14 Jahre 166,9 cm 6,3 mm 61,6 cm 65,2 cm 69,1 cm 73,2 cm
14,5 Jahre 170,4 cm 6,5 mm 62,8 cm 66,6 cm 70,5 cm 74,7 cm
15 Jahre 173,1 cm 6,6 mm 63,9 cm 67,7 cm 71,7 cm 76,0 cm
15,5 Jahre 175,2 cm 6,7 mm 64,6 cm 68,5 cm 72,5 cm 76,9 cm
16 Jahre 176,7 cm 6,7 mm 65,2 cm 69,0 cm 73,2 cm 77,5 cm
16,5 Jahre 177,6 cm 6,7 mm 65,5 cm 69,4 cm 73,6 cm 77,9 cm
17 Jahre 178,2 cm 6,8 mm 65,8 cm 69,7 cm 73,8 cm 78,2 cm
17,5 Jahre 178,7 cm 6,8 mm 65,9 cm 69,8 cm 74,0 cm 78,4 cm
18 Jahre 179,0 cm 6,8 mm 66,1 cm 70,0 cm 74,1 cm 78,5 cm

Man sieht, wenn man mit Kapodaster arbeitet, dann kann die Hand in ca. drei Millimeter großen Schritten mitwachsen. Diese Schritte erfolgen im 1,5 Jahresrhythmus.

Bei der Methode Wir-spielen-immer-am-ersten-Bund-und-wechseln-die-Gitarre erfolgen die Wechsel ca. alle drei Jahre.

Grundsätzlich ist beiden Wegen gemeinsam, dass nach einem Wechsel, die Hand von der Dehnung gefordert ist, aber diese Dehnung mit dem Wachstum nachlässt. Wenn man so will, erfährt die Greifhand bei der Kapodastermethode einen kontinuierlichen und stetigeren Dehnreiz. Das dürfte mehr helfen.

Bei Schülern*Innen, bei denen die Tabelle den Verdacht nahe legt, dass es mit der Normalmensur ihres Geschlechtes knapp werden könnte, muss ich diesen Prozess mit dem Kapodaster forcieren. Dies war mir bisher nicht klar.

Zurück zu meinem Klavierbauer. Dem habe ich anfänglich einen Kapodaster am dritten Bund verordnet. Er übt, um die Dehnung zu trainieren, „heimlich“ ohne Kapodaster. Er muss dann knapp einen Zentimeter überbrücken. Ich merke es dann, weil seine linke Hand mit Kapodaster dann ziemlich viel hin und her wackelt. Vernünftiger wäre, mit dem Kapodaster allmählich hinunter zu rücken.

Aber auch hier haben wir jetzt Zahlen, die bei der Diskussion helfen. Dieser Schüler kann auf einer Normalmensur so gerade am dritten Bund mit 1 und 3 greifen. Das bedeutet für seine 1,90 für ihn passt eine 58 cm Mensur. Als Klavierbauer gefällt ihm ja schon die Idee mit 63 cm nicht. Er ist voll Optimismus, er kann die fehlenden 1,1 cm noch erkämpfen. Aber wenn man bedenkt, das sind ca. 4 Jahre Körperwachstum oder 20 Prozent seiner momentanen Dehnfähigkeit, dann kann ich ihn doch noch von einer 63-er überzeugen.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 14. Oktober 2022 um 08:11 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrentechnik, Gitarrenunterricht, Instrumente, Kinder, praktisch abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .