Lehrerziele – Schülerziele
Je konkreter und selbstgewählter ein Ziel ist, desto mehr Energie wird für das Ziel mobilisiert, so sagt es die Motivationspsychologie.
Eigentlich wolle ich darüber nachdenken was für Ziele meine Schüler haben. Aber während ich mir das überlegte, kamen mir einige Ideen. Geht man davon aus, dass heutige Schüler nicht zum Gitarrenunterricht gezwungen werden und ihn sich selbst aussuchen, so ist die Frage, warum ist Motivation ein Thema im Instrumentalunterricht ist. Es handelt sich um ein selbstgewähltes und konkretes Ziel. Die Schüler müssten doch für ihr Ziel „brennen”. Aber dem ist eigentlich nicht so.
Der Schüler weiß am Anfang gar nicht, was Gitarre spielen heißt. Er bildet eigentlich im Laufe seine Lebens eine Vorstellung davon heraus, was Gitarre spielen bedeuten kann bzw. ihm dem Schüler bedeutet.
Gitarrespielen ist am Anfang für den Schüler eine Art Versprechen auf etwas Schönes. Der Schüler ist angelockt von etwas, dessen Medium die Gitarre ist.
Also der Schüler hat in diesem Sinne ein sehr unklares Ziel und bringt also vorerst der Theorie nach eher geringe Energie für Lernen des Gitarrenspiels mit.
Soweit die Theorie.
In der Praxis sieht es vermutlich so aus, dass der Schüler eine musikalisch angenehme Erfahrung mit der Gitarre hat. Um diese Erfahrung beizubehalten, ist er bereit einen gewissen Aufwand zu treiben.
Hier wird unter Umständen ein Problem deutlich. Wer sich die Literatur zum Thema Motivation durchliest, wird feststellen, dass es darum geht, Leistungsziele zu erreichen. Im Instrumentalunterricht heißt das, Erwerb von bestimmten Fähigkeitskonzepten. Den Instrumentalschüler interessiert meiner Theorie zur Folge dieser Erwerb von Fähigkeit nur als Mittel zum Zweck, nämliche die Befriedigung seiner emotionalen Bedürfnisse. Wird dieser Zweck gefährdet, dann interesssiert den Schüler auch nicht der Erwerb von Fähigkeiten, sondern er wird ihn unterlaufen. Den Schüler interessiert eher der Lustgewinn bei der Handlung Gitarrespielen.
Denkt man diese Idee radikal zu Ende, dann bedeutet dies, dem Schüler ist Fortschritt im Sinne der Musik und Gitarristik vollkommen egal. Fortschritt im Sinne des Lernstoffes ist für ihn nur eine Veränderung, die seinem emotionalen Zielen dienlich ist oder nicht.
Also für den Lehrer ist das Ziel das Ziel. Für den Schüler ist der Weg das Ziel.
Das bedeutet z.B. auch, dass ein Lob, das hast Du im Sinne der Sache gut gemacht, den Schüler gar nicht interessiert und anspornt. Entweder er hat seinen emotionalen Gewinn oder nicht.
Die Wirklichkeit sieht aber ander aus, als es der radikale Gedanke vermuten lässt.
Ich stelle gerne meinen Schüler die Frage, wie ihnen ihr Spiel nach einer Arbeitsphase gefällt. Meiner These zur Folge müssten die Schüler sagen, dass ihnen das Stück jetzt mehr Freude machen würde. In der Praxis zählen sie meistens auf, was für Faktoren sich verbessert haben. Die Frage, ob ihnen jetzt das Stück besser gefallen würde, löst ganz gerne eine gewisse Irritation aus. Es gibt sogar Schüler, die zurückfragen, was denn jetzt die richtige Antwort wäre?
Damit bin ich bei einem Gedanken, der mir schon öfters durch den Kopf geschwirrt ist. Überspitzt formuliert, verleidet Unterricht die Freude an der Musik, weil das Etikett Unterricht draufklebt.
Die sogenannte Lernerfolgskontrolle im Unterricht zeigt das Widersprüchliche der Situation. Der Lehrer sagt dem Schüler, ob er die Ziele erreicht hat, die der Schüler sich eigentlich gar nicht gesetzt hat, sondern der Lehrer ihm oder die Maßstäbe der Musik.
Es wir insbesondere Kurios, wenn es um die aktive emotionale Teilhabe an der Musik geht. Diese emotionale Teilhabe ist für den Schüler zu erst lustbetont. Der Lehrer lobt den Schüler dafür und erklärt die emotionale Teilhabe zum Ziel. Damit wird die Lust für den Schüler zu einer Pflicht. Und eine Pflicht zur Lust ist etwas Sinnwidriges.
Es stellt sich damit irgendwann dem Schüler die Frage: “Was hat das mit mir zu tun?”
Stellt der Schüler diese Frage laut, wird er vermutlich vom Lehrer eine Antwort erhalten, die beinhaltet, dass dies gut für sein Können wäre und dies im Sinne der Musik wäre. Aber warum der Schüler sich mit diesen Zielen identifizieren soll, wird nicht beantwortet. Es wird stillschweigend angenommen, der Fortschritt in der Sache wäre wohl Argument genug und der Schüler wird sich schon damit identifizieren.
Es ist eine Situation, die dem Schüler mitteilt: “Was Du willst, interessiert hier keinen, es ist nur interessant, was die Musik will.
Das ist sicherlich überspitzt formuliert und betrachtet. Aber ich glaube schon, dass diese Situation Unterricht, dem Schüler teilweise den Blick darauf verstellt, was ihm der Unterricht bringt.
Der Schüler ist teilweise so auf die Leistungsziele durch das Etikett Unterricht fixiert, dass er nicht bemerkt, dass das Ergebnis, wenn er das Leistungsziel erreicht hat, ihm auch mehr Genuß bereitet. Er empfindet nur den Stolz oder Erleichterung das Ziel erreicht zu haben.
Meine Darstellung ist sicherlich überspitzt, denn sonst wären die Abmeldezahlen bei mir und meinen Kollegen deutlich höher. Es ist vermutlich eher so, dass Schüler stillschweigend schon mitbekommen, dass die Ziele des Lehrers seinen Zielen dienlich sind.
Aber es ist doch die Frage zu stellen, ob man sich als Lehrer auf dieses stillschweigende Einverständnis verlassen sollte oder ob er es aktiv beim Schüler fördern sollte.
Vielleicht könnte es sinnvoll sein, wenn man sich als Lehrer klar macht, wie die Ziele der Musik und Gitarristik den Zielen der Schüler zuarbeiten und diese Zusammenhänge im Unterricht herausarbeitet.
Also, wenn der Schüler fragt: “Wozu braucht man das?”, dass man ihm antworten kann: “Es ist ein Ziel des Musizierens, dass … aber Du brauchst es aber auch für dich, weil es dir jenes gibt oder Folgendes für dich sicherstellt!”
Der Beitrag wurde am Freitag, den 10. April 2009 um 08:30 Uhr veröffentlicht von und wurde unter den Kategorien: Gitarrenunterricht abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .