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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Hilfloses zur Gehörbildung

Wegen des Buches Getting Started With Aural – Trinity Step-by-step Series habe ich ein wenig rumexperimentiert und mir ein paar Fragen gestellt.

Eine Frage, die ich mir schon hätte lange stellen sollen:

Was soll das überhaupt?

Gehörprüfung, war ein Prüfungsfach, von welchem ich und ich würde auch sagen meine Kommilitonen, am wenigsten den Sinn verstanden haben. Der eine Teil konnte es, der andere kämpfte. Ich gehörte zum kämpfenden Teil, was Diktate betraf.

Jetzt habe ich ein wenig über Gehörbildung nachgelesen, dazu mir auch einige Bücher in der Bücherei ausgeliehen. Mir erschließt sich der Sinn von Gehörbildung immer noch nicht. Oder mir ist nicht klar, wie dieses Üben auf mich wirkt und was für Effekte dieses Üben haben soll.

Um es an einem Beispiel zu erklären. Aus irgendeinem Grund kam ich darauf, ein Stück nicht nach Noten, sondern von der CD zu lernen. Ich fand mein Hören beim Spielen so anders, sodass ich die nächsten Stücke auch von der CD ohne Noten lernte.

Daraus resultierte die Frage für mich, wie kann ich dieses Hören erreichen, wenn ich nach Noten lerne. Daraus sind Übeformen entstanden, wodurch ich Noten eher höre, wenn ich sie sehe. Meinem Gehörbildungsunterricht würde ich solch einen Erfolg nicht attestieren.

Dass ich meine Stücke selbst mit mir im Chor durch Hilfe von Aufnahmetechnik gesungen habe, dürfte meiner Fähigkeit Stimmen zu verfolgen mehr geholfen haben als jedes mehrstimmiges Diktat.

Ich will nicht sagen, dass der Gehörbildungsunterricht gar nichts gebracht hat. Manche der Techniken haben mir bei den obengenannten Herangehensweisen geholfen, weil ich mich im Material besser orientieren konnte. Aber eigentlich ist das der Verdienst eines Gehörbildungslehrers in acht Jahren Gehörbildung. (Ich habe schon vor der Hochschule in der Laienabteilung des Konservatoriums Gehörbildungsuterricht genossen.)

Aber von den anderen Fächern habe ich wesentlich mehr für meine Arbeit profitiert.

Wie funktioniert das?

Als ich den letzten Wochen so vor mich hinüberlegte, las ich zufällig mal wieder etwas über das absolute Gehör. Und da stellte sich mir die Frage, wenn ich mir eigentlich keine absoluten Tonhöhen auf längere Zeit nicht merken kann, warum kann ich nach längerer Zeit eine gelernte Melodie von einem beliebigen Ton singen. Wenn ich die Tonhöhen nicht mehr weiß, warum weiß ich noch die Intervalle. Also warum singe ich eine Quarte, ohne zu wissen, dass es eine Quarte ist.

Wird da Klang abgespeichert, oder auf was für einem Sinneskanal werden die Informationen abgespeichert? Was wird da wie abgespeichert?

Es geht auch anders, warum habe ich eine Klangerinnerung, kann aber diese nicht singen? Man gab uns im Gehörbildungsunterricht den Tipp, Stücke aufzuschreiben, die wir im Kopf hören würden. Mit Volksliedern und Kinderliedern konnte ich das. Aber die Queenplatten aus meiner Jugend, die ich klar in meinem Kopf hörte, sang ich falsch.

Warum merke ich, dass ich etwas Gehörtes falsch spiele, obwohl ich mich an das Gehörte eigentlich nicht mehr erinnere?

Genau deswegen habe ich mir die Gehörbildungsbücher ausgeliehen, um herauszufinden, wie diese Informationen gespeichert werden. Fehlanzeige.

Dabei stieß ich bei Ulrich Kaiser in dem Artikel „Zur Gehörbildung in Deutschland“, der einige Bücher zur Gehörbildung verfasst hat, auf dieses Zitat:

Da ein wissenschaftlicher Diskurs zum Thema Gehörbildung in Deutschland nur in Ansätzen vorhanden ist, verwundert es nicht, daß sich unter den Lehrenden des Fachs ein breites Spektrum von Ansichten findet.

Wenn man nicht weiß, was man da genau trainieren soll, dann ist es kein Wunder, dass wir damals eigentlich jahrelang in der Gehörbildung unsere Probleme nicht losbekommen haben. Wer Akkorde gut hören konnte, konnte das immer gut. Wer in Diktaten schlecht war, war in diesen immer schlecht.

So verwunderen vielleicht diese Beobachtungen nicht.

Ulrich Kaiser hat zwei Bücher im Bärenreiterverlag veröffentlicht und Roland Mackamul ebenso. Es scheint so, dass Kaiser der Nachfolger von Mackamul ist. Kaiser schreibt, dass er aus Erfahrung mittlerweile erst schreiben lässt, wenn die Studenten das Gehörte spielen und/oder singen können. Mackamul empfiehlt dagegen hin, das Gehörte im Kopf so lange zuhören, bis es nicht mehr „verwischt“ werden kann und keine körperlichen Regungen des Stimm- oder Spielapparates zu verspüren sind.

Der eine nutzt den Körper, als Speicher der andere verdrängt ihn.

Andere Autoren verdammen das Liedanfangssystem für Intervalle, andere preisen es und so weiter.

(Persönlich fand ich auch noch interessant, was Mackamul zur Gestaltung des Gehörbildungsunterrichtes sagt, weil er der Leitfaden für den Gehörbildungsunterricht am Konservatorium und Hochschule war. Gruppengröße und Maßnahmen wurden fast gänzlich ignoriert. Die Gruppengröße und Zeit, die wir im Tonsatz hatten, hätte man uns nach Mackamul auf für Gehörbildung geben müssen. Vier Personen a 180 Minuten in der Woche. Es waren 20 Personen in 45 Minuten. Deswegen hat man diktiert, diktiert und wir schauten dumm aus der Wäsche. Mackamul Beschreibung eines schlechten Gehörbildungsunterrichtes war die Beschreibung meines Gehörbildungsunterrichtes.)

Was ist die elementare Gehörbildung der elementaren Gehörbildung?

Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Erstaunlicherweise beschrieben einige Autoren die Situation ähnlich, wie ich sie erlebt habe. Deswegen würden sie in ihrem Lehrwerk elementarer einsteigen.

Ich sitze ja an der Anfängerfront und lasse eigentlich nach Gehör spielen, wenn ein Dreitonraum beherrscht wird. Aber ich würde sagen, dass SchülerInnen, die sich mit diesem Nachspielen leicht tun, trotzdem mit diesen „elementaren Aufgaben“ gnadenlos überfordert wären.

Aber es gibt auch andere Phänomene, die verwundern. Schüler*Innen die extrem gerne singen und das auch sauber, aber extreme Probleme haben „Alle meine Entchen“ ohne Vorspielen selber zu spielen. Kinder, die nicht singen und falls sie es tun, den Ton eher nicht treffen, aber „Alle meine Entchen“ auf Anhieb ohne groß nachzudenken fehlerlos spielen. Andere helfen sich singend, singen falsch, aber „Alle meine Entchen“ kommt trotzdem richtig heraus.

Also damit Gehörbildung funktioniert, muss innerlich ein Apparat herausgebildet werden, von dem die Gehörbildungsdidaktiker wahrscheinlich selber nicht so genau wissen, wie dieser funktioniert und wie man ihn aufbaut.

Warum interessiert mich das Thema?

Für mich würde ich sagen, ist/war es so, dass ich eine Klangvorstellung durch das Spielen bekommen habe. Irgendwann habe ich aber festgestellt, dass eine Klangvorstellung vorab das Spielen lustvoller und geschmeidiger macht. Ähnliches kann ich auch bei meinen Schülern feststellen.

Meine Schüler*Innen haben aber ein zwiespältiges Verhältnis zu der Sache. Wenn man etwas nach Gehör spielt, kann, dann spielt es sich anders als nach Noten. Dieses anders wird als schöner und lustvoller erlebt.

Aber es ist für die meisten deutlich anstrengender als nach Noten zu lernen. Im Ergebnis, die einen stöhnen, wenn sie nach Gehör spielen müssen, die anderen freuen sich.

Es wäre schön, wenn man wüsste, was den Stöhnenden fehlt.

Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, Unterricht nach Gehör oder Klangvorstellung ist sehr fragil. Also, wenn ich ein*e Schüler*In ein Stück nach Gehör im Unterricht richtig spielt, wird das Gelernte in der nächsten Stunde falsch gespielt werden, wenn er keine Noten hätte. Das Ergebnis wäre musikalisch schlechter als wenn ich darauf bestehe, dass bestimmte Steuerungsregeln eingehalten werden, bei denen aber man die Ohren schließen kann oder einfach schließen muss, weil man mit der Steuerung so beschäftigt ist.

Ich hatte mal folgende Situation. K. kam rein und meinte: „Irgendwoher kenne ich das Stück, was J. gerade gespielt hat. Ich weiß aber einfach nicht woher? Woher kenne ich bloß das Stück?“ Meine Antwort: „Liebe K., Du spielst es selber seit drei Wochen.“

K. hat das Stück einwandfrei gespielt. Damals habe ich meine Schüler gar nicht nach Gehör spielen lassen. Hätte ich aber K. das Stück rein auditiv vermittelt, dann hätte sie gewusst, woher sie das Stück kennt, aber hätte es vermutlich fehlerhafter gespielt.

Ich wüsste gerne, wie Schüler*Innen eine behaltensstabilere Klangvorstellung von ihren Stücken schneller bekommen?

Und was vielleicht auffällig für das Thema ist, Gehörbildung funktioniert in die Richtung Gehörtes in Singen, Spielen oder Schreiben umzusetzen. Bloß trainiert man damit die Erinnerungskraft und die Gegenrichtung, sich Noten als Klang vorzustellen. Ist die Gegenrichtung das Ziel der Gehörbildung? Das wird nicht so richtig klar, weil die Ziele der Gehörbildung ziemlich schwammig formuliert sind.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 13. Januar 2023 um 06:16 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gehör, Gitarrenunterricht, Musikalität abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .