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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Verhaltens-Effekt-Beziehungen

Ich lese gerade das Buch „Lern- und Gedachtnispsychologie“ von Joachim Hoffmann und Johannes Engelkamp. Sie handeln erst den Behaviorismus ab, um dann die Frage zu stellen, ist Lernen wirklich nur ein Reiz-Reaktions-Lernen?

In ihrer Darstellung ist eine maßgebliche Form des Lernens, die Ausbildung von situationsabhängigen Verhaltens-Effekt-Beziehungen. Grundlage ist, dass man versucht zu lernen, bestimmte Effekte, abhängig von der Situation zu erreichen. Wichtig ist aber, dass man den Zusammenhang zwischen Verhalten und Effekt erkennen kann.

Joachim Hoffmann und Johannes Engelkamp schreiben auf Seite 46:

Wenn die Zusammenhänge zwischen Situation und Verhaltenskonsequenzen aber weniger offensichtlich oder weniger drastisch sind, ist es durchaus fraglich, ob überhaupt und wie schnell sie im Verhalten berücksichtigt werden.

Es gibt dazu einen Versuch von Hoffmann und Sebald. Es ist eine Art von Glücksspiel. Dabei gibt es aber zwei Verhaltensweisen, die einen hundertprozentigen Erfolg haben. Das Ergebnis, die Proband*Innen führten nach kurzer Zeit nur noch diese zwei Verhaltensweisen aus.

Dann wird aber die Erfolgshäufigkeit für dieses Verhaltens auf 80 Prozent gesenkt. Wenn man die zwei Verhaltensweisen einfach stur durchhalten würde, dann hätte man 80 Prozent Erfolg. Die Proband*Innen verhalten sich aber so, sodass die Erfolgsquote deutlich unter 80 Prozent liegt.

Leider bin ich nicht an den Volltext der Untersuchung gekommen. So konnte ich bedauerlicherweise nicht feststellen, ob es einen mathematischen Bezug zwischen Erfolgswahrscheinlichkeit gibt und dem realen Erfolg.

Aber es gibt vermutlich irgendwann den Punkt, dass ab einer bestimmten Erfolgswahrscheinlichkeit das Verhalten nur noch wenig bis kaum beeinflusst wird.

Jetzt schauen wir uns ein*e Gitarrschüler*In an. Haben diese einen hundertprozentigen Zusammenhang zwischen Handlung und Effekt? Eher nein.

Man wird vielleicht einwenden, dass wir Lehrkräfte aber doch Feedback geben. Das dürfte doch einen Ausgleich schaffen?

So etwas wurde auch untersucht. Reines Feedback ohne Effekt ist bei weitem nicht so effektiv, eine Verhaltens-Effekt-Beziehung auszubilden.

Wenn wir dann noch überlegen, wie oft wir ein Verhalten loben können und wie oft wir mangels Anwesenheit beim häuslichen Üben kein Feedback geben können, dann erklärt sich vielleicht, warum so viele Dinge so langsam vorangehen.

Dann müssen die Schüler*Innen versuchen auf Zusammenhänge zu achten. (Ich muss wirklich darauf achten, mal auf so etwas hinzuweisen.)

Aufgrund meiner Überlegungen kam ich auf die Idee, meine Schüler*Innen bezüglich der von mir vermittelten Übemethodik zu fragen, ob sie der These beistimmen würden, die Übemethoden würden etwas bringen, aber nicht so viel, wie ich immer tue?

Die Antworten waren grundsätzlich ein gnadenloses „Ja!“.

Dies kann man in Anbetracht des oben Geschriebenen übersetzten mit: „Der Effekt ist nicht so deutlich, deswegen halten wir uns auch nicht so richtig daran.“

Betrachten wir mal die Regel, man solle am Bund greifen. Ich kann mich nicht entsinnen, dass mir jemals der Grund genannt wurde. Irgendwann am Anfang meines Studiums wurde mir durch verschiedene Experimente durch Zufall klar, am Bund zu greifen ist kraftsparend.

Aber damals war ich kein grobmotorischer Anfänger und konnte vielleicht erst in diesem Stadium diese Unterschiede spüren. Ich mache mit meinen Anfänger*Innen ganz gerne, dasselbe Experiment, was mich damals „erleuchtet“ hat. Sie merken den Unterschied. Bisher habe ich nicht hinterfragt, wie meine Schüler*Innen diesen Unterschied bewerten. Aber schauen wir uns mal eine*n kindliche*n Anfänger*In an.

Sie merken vielleicht den Unterschied, erlebt aber bei ihrem Spiel, wenn man am Bund greift, dann scheppert es teilweise auch, wenn man nicht am Bund greift, dann scheppert es großteils auch nicht.

Der stillschweigend versprochene starke, eindeutige Effekt bleibt aus. Auch andere Faktoren scheinen scheppernde Töne zu verhindern. Also warum nicht herumprobieren oder den Hinweis ignorieren? (Wobei ich da von einem reflektierenden Schüler ausgehe. Dabei dürfte das ein eher unterbewusster Vorgang sein.)

Aber schauen wir uns das Experiment an. Wenn man bei einer achtzigprozentigen Chance nicht herumprobiert, sondern zu hundert Prozent das Gleiche täte, wäre die Ausbeute am höchsten.

Also wir zwingen die Schüler*Innen es einfach, richtig zu machen. Egal, ob sie es einsehen oder nicht. Aber da sträubt sich jeglich pädagogisches Haar.

Ich habe mir überlegt, man könnte mit der*ie Schüler*In ein Experiment vereinbaren. Wir halten eine Zeitlang 100 Prozent durch, dann schlampen wir und vergleichen das Ergebnis. Abgesehen davon, dass dieses Experiment methodisch sehr fragwürdig ist, wäre die Differenz der unterschiedlichen Ergebnisse groß genug, um zu überzeugen?

Man könnte auch das obige Experiment als Argumentationsbasis nehmen. Wenn Du dich 100 Prozent daran hältst, dann ist dein Gewinn um x Prozent höher. Bloß wie groß ist x?

Ebenfalls es dürfte so sein, dass die Dinge, die wir als Instrumentallehrer*In vermitteln, weil wir sie wichtig halten, in unserer Wahrnehmung einen größeren Effekt haben als bei den Lernenden.

Weiter oben habe ich über ein*e kindliche*n Anfänger*in gesprochen und erwägt, wie auf ihn die Regel wirken mag, am Bund zu greifen.

Von einem anderen Lehrer habe ich eine Schülerin bekommen, sie spielt sehr krachend und scheppernd. Ich fragte sie, warum sie nichts gegen das Scheppern unternehmen würde? Sie wüsste nicht, was sie dagegen tun soll.

Das erinnert mich, es geht in dem Buch auch um angelernte Hilflosigkeit. Tiere werden unangenehmen Reizen ausgesetzt, haben aber keine Fluchtmöglichkeit. Gibt man ihnen dann eine Fluchtmöglichkeit, wird diese nicht mehr genutzt. Das Tier lässt unangenehme Reize über sich ergehen.

Ich stelle mir die Frage, ob ein*e Anfänger*In so wenig Zusammenhänge bemerken, sodass sie sich nicht dazu bewegen, ihr Spiel schöner zu bekommen.

Es scheint vielleicht so zu sein, dass die*er Schüler*Inn eigentlich so wenig Chancen hat Zusammenhänge zu erkennen, sodass er*sie es auf Dauer eher lässt. Ob unsere Zusammenhangserklärung dieses Wahrnehmungsproblem genug abschwächen kann, ist die Frage.

Hinzu kommt, wie schon erwähnt, der*ie Anfänger*In hat das Problem, dass trotz Regelbeachtung ein schlechtes Ergebnis erfolgen kann.

Mir ist aber noch ein weiterer Gedanke gekommen. Ich tendiere dazu, den Schüler*innen zu sagen, das hat gescheppert, weil … . Aber so richtig habe ich mich nicht gefragt, ob die Schüler*Innen, ihr Spiel selbst daraufhin analysieren können. Wenn ich genauer überlege, ist das egal.

Eigentlich wäre die Regel auszugeben, wenn ein Ton scheppert, beachte einfach, ob Du alle Dinge beachtest, die helfen einen scheppernden Ton zu vermeiden. Das wäre mit all den anderen technischen Merkmalen genauso zu halten.

Richtig glücklich bin ich mit den Ergebnissen dieser Überlegungen nicht, weil ein Handeln aus Überzeugung, weil man den Zusammenhang versteht und erlebt, mir deutlich lieber ist, als ich glaube dir, dass es so ist.

Jetzt habe ich gelernt, wenn die Verhaltens-Effekt-Beziehung nicht eindeutig ist, dann braucht es zusätzliche Strategien, damit die notwendigen Verhaltensweisen konsequent eingehalten werden.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 30. Juni 2023 um 08:15 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Forschung, Gitarre lernen, Gitarrentechnik, Gitarrenunterricht, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .