Peter Bursch und die Tabulatur – Nachtrag 1
Wenn Schüler Stücke wünschen, die in ihnen unbekannte Griffbrettgefilde gehen oder für ihren Erfahrungsschatz sehr unorthodox sind, dann bekommen Sie von mir unter anderem die Aufgabe, das Stück in Tabulatur zu notieren.
So drängte sich mir beim Schreiben des Peter Burschs Artikel die Idee auf, dass ich meine Schüler auch von ihren normalen Stücken Tabulaturen schreiben lassen könnte.
Die Aufgabe lautet:
- Schreibe die Noten ab.
- Schreibe darüber die Notennamen.
- Schreibe darunter die Tabulatur.
(Lieber Peter Bursch, ich habe meinen Schülern nicht verraten, wer ihnen das eingebrockt hat.)
Mancher meiner klassischen Kollegen werden etwas aufstöhnen, weil ich die Befürchtung kenne, dass die Schüler auf die Tabulatur zurückgreifen würden.
Meine bisherigen Erfahrungen waren so, dass die Schüler nicht nach der Tabulatur greifen. Ich habe das bisher nie hinterfragt. Aber durch die Aussagen von Peter Bursch „provoziert“, habe ich mal meine Schüler gefragt, ob ihnen das Tabulaturschreiben etwas gebracht hätte das Stück zu spielen.
Die Antworten gingen von Nein bis „Geht so“.
Auf die Frage, ob sie lieber mit Tabulatur oder Noten spielen würden, kamen etwas verständnislose Blicke, bis Fragen, woher weiß ich, wie lange ich einen Finger liegen lassen muss? Die Noten würden die relevanten Informationen besser wiedergeben.
Die letzte Anmerkung lesend, frage ich mich, ob dieses mit besser Wiedergabe, gemeint ist, die Noten wären besser, weil gedruckt und die Tabulaturen handschriftlich angefertigt waren.
Letztendlich habe ich bei niemanden Tabulaturgelüste geweckt. Wenn die Handschriftlichkeit der Grund war, Noten besser zu finden, dann spräche aber das auch nicht für Tabulatur.
Eine sehr interessante Beobachtung konnte ich bei einer Schülerin (Anfängerin) machen. Als Sie die Tabulatur schrieb, hatte Sie dasselbe Problem, wie beim Spielen, dass nicht schnell genug parat war, was man bei einer Noten machen musste. Also wenn das „a“ nach drei Tönen schon wiederkam, musste sie sehr lange in ihrem Gedächnis kramen, was zu tun sei.
Aber mir ist dabei etwas aufgefallen. Gitarre ist eines der wenigen Instrumente, das das eindimensionale System der Tonhöhe in ein zweidimensionales System umsetzt. Bei den meisten anderen Instrumenten wird Tonhöhe in ein eindimensionales System umgesetzt.
Darin besteht das Problem, warum Noten auf der Gitarre so schwer zu begreifen sind. Bei anderen Instrumenten sieht man, um wie viel Plätze man nach links oder rechts gehen muss, um den nächsten Ton zu spielen.
Diese Offenkundigkeit gibt es bei Gitarre nicht.
Tabulaturschreiben als tägliche Aufgabe könnte hilfreich sein, sich diese Informationen zu merken. Viele unterschiedliche Sachen spielen wäre zwar sinnvoller, aber im Anfängerstadium stelle ich mir das eher frustrierend vor, weil alles, was man anpackt, erst einmal nicht nach Musik klingt.
Aber halte ich bei dieser einen Schülerin einen Einsatz von Tabulatur für sinnvoll? Ich weiß es nicht. Das Grundproblem der Schülerin ist, ein abstraktes Zeichensystem in der Realität wiederzuerkennen oder in die Realität umzusetzen. Weiter ein extrem schlechtes Gedächnis. Obwohl man Tabulatur als sehr konkret betrachten kann, scheint das für die Schülerin sehr abstrakt zu sein. Letztendlich ist mir die Gefahr zu groß, mit dem oder trotz des Austausches des Systems Schiffbruch zu erleiden.
Bei einem anderen Schüler konnte ich eine interessante Beobachtung machen. Er schoss beim Tabulaturschreiben einige sehr sonderbare Böcke. Es stellte sich heraus, ihm ist die Formung der Hand wesentlich gegenwärtiger als der Platz auf dem Griffbrett. Er war ein Schüler, der eine helfende Wirkung des Tabulaturschreibens für sein Spiel feststellte. Dieser Schüler fand das Tabulaturschreiben am hilfreichsten für sein Spiel.
Der Beitrag wurde am Freitag, den 11. Dezember 2015 um 08:35 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .