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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Funktionsqualitätsvorbild

Ich habe einen Autodidakten kennengelernt, der mich beeindruckt hat. Er spielte technisch sauber, mit ruhigen Händen und einem sehr guten Bewegungsfluss. Es stellte sich heraus, dass er schon seit vielen Jahren Tai-Chi praktiziert und versucht hat, an sein Gitarrenspiel die Maßstäbe aus dem Tai-Chi anzulegen.

Dem Insider wird das nicht so verblüffen, denn in deutschen Musikhochschulen sind Techniken, die die Körperwahrnehmung schulen, Pflichtprogramm.

Für den Laien. Was passiert da? Ich beschreibe die subjektive Warte. Diese Techniken leiten einen an, Bewegungen anders zu betrachten und zu erleben. Dabei geschieht es ziemlich häufig, dass diese Bewegungen sich leichtgängiger, fließender und geschmeidiger erlebt werden. Diese Bewegungsqualität versucht man auf das Instrument zu übertragen. Dabei stellt man auch noch fest, dass das Spiel besser klingt.

Ich glaube, wir Musiker sind uns einig, dass diese Dinge helfen. Ob wir darüber reflektieren, ob diese Mechanismen bei Laien helfen würden, weiß ich nicht. Meine Privatmeinung bisher war, ein Laie würde sich nicht so intensiv mit diesen Dingen beschäftigen, sodass es ihm etwas bringen würde.

Bei diesem Autodidakten war es so, dass er eine immense Tai-Chi-Vorerfahrung hatte. Er brachte mich auf die Idee, man müsse es ähnlich wie im französischen System machen. Es gibt den Mythos in meinem Kopf, man müsse in Frankreich ein bestimmtes Level in der Solfege erreichen, erst dann dürfe man an das Instrument. Man könnte entsprechend einführen, man muss ein gewisses Körpererfahrungstechniklevel erreichen, erst dann darf man an das Instrument.

Diese Idee ist nicht ernst gemeint. Aber mich hat dieser Mann fasziniert. Denn mich beschäftigt immer wieder eines im Unterricht. Die Menschen merken, dass die Dinge nicht so sind, wie sie sein könnten. Aber sie akzeptieren ihren Könnensstand. Hinzu kommt, dass sie keinen Transfer von Gebieten machen, in welchen sie erfolgreich sind.

Bei diesem Autodidakten – glaube ich – ist es so, dass er wusste, dass er eine körperliche Sache hat, die eine sehr hohe Funktionsqualität hat. An dieser Funktionsqualität hat er sich orientiert. Vielleicht auch wissend, dass er solch eine Funktionsqualität erreichen kann.

Bloß mit dieser Theorie unterstelle ich, dass meine bisherigen Schüler*Innen kein Funktionsideal haben. Bei Kindern kann man das noch verstehen, aber bei Erwachsenen? Die wissen doch, wie sich Funktionieren anfühlt.

Warum agieren, die nicht so, wie sie es schon in anderen Gebieten gelernt haben?

Ich habe auch Schüler*Innen, die Berufe haben, in denen es um Menschenleben geht. Da frage ich, ab und zu mal nach, ob sie in ihrem Beruf so mit ihren Fehlern umgehen würden? Eine der schönsten Antworten kam von einem technischen Schichtleiter eines großen Chemiewerkes: „Oh Gott, bloß nicht! Dann läge Offenbach in Schutt und Asche!“ (Was hartgesottene Frankfurter nicht als Schaden empfinden würden.) Aber eigentlich kommt immer die gleich geartete Antwort. Ja, das ist Beruf, Gitarre ist Freizeit.

Dieses Funktionieren ist offensichtlich nicht lustbetont. Aber ein anderer Schüler, ehemaliger leitender Chirurg, erklärte mir, dass seine Techniken im OP nicht auf die Gitarre anwendbar sei. Die Art im Gitarrenunterricht zu arbeiten, wäre im total fremd. (Seine genaueren Ausführungen machen mir noch mehr Angst vor einer OP als sowieso schon.)

Weil ich somit festgestellt habe, Qualitätssicherungstechniken sind nicht so einfach übertragbar, möchte ich doch auch die Frage in den Raum stellen, kann ein solches Funktionsqualitätvorbild zum Problem werden? Denn einerseits, so fasziniert ich von dem Mann war, fand ich doch einiges in unserer Begegnung als irritierend schwierig.

Alles, was gegen sein Tai-Chi Gefühl ging, dem stand er eher ablehnend gegenüber. Bzw. dieser Mann versuchte mich zu belehren, wie die Sachen eigentlich gehen würden.

Mir ist später das vermutlich richtige Argument eingefallen. Dieser Autodidakt erklärte mir, im Tai-Chi müsse man die Form lernen und sich an diese halten. Aber wie man sie mühelos macht, daran arbeite man selber.

Ich hätte ihm sagen müssen, manche Fingerhaltungen sind dieser Sichtweise entsprechend die Form und er müsse sich bemühen in dieser Form mühelos zu werden. Und nicht die Form ablehnen, weil sie nicht mühelos ist, wie die schon beherrschten Formen im TaiChi.

Vielleicht denkt sich mancher, ist das nicht ein individuelles Problem? Da bin ich mir nicht so sicher. Bei meinen Musikerkollegen*Innen und mir kann ich feststellen, sie wenden die Erkenntnis aus ihren Körpertechniken auch auf den Alltag aus, um das Spiel zu verbessern.

Von mir selber kenne ich zum Beispiel, dass meine Erkenntnisse über die Anspannung der Bauchmuskulatur auch für das Radfahren überprüfe. Ich komme da zu keinem rechten Schluss. Aber würde jetzt ein Radtrainer*In mir jetzt sagen, deine Bauchdecke muss total angespannt sein, dann hätte ich ein Problem damit.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 26. Mai 2023 um 08:50 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrentechnik, Gitarrenunterricht, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .