https://www.gitarrenunterricht-frankfurt.de/wp-content/themes/GitarreFrankfurt/image/Logo-6a.png

Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Flora Incognita

Die Eibe

Flora Incognita ist eine App die mit KI Pflanzen bestimmen kann. Ich weiß nicht warum, ich habe diese App in den Parkanlagen um die Ecke ausprobiert. Meine erste Erkenntnis, es gibt eine Eibe in dieser Parkanlagen. Bisher dachte ich immer, es seien Tannen oder Fichten, die anders wachsen als im Wald, denn im Park werden diese Bäume ja beschnitten.

Was sind nun all die anderen Nadelbäume in dem Park, die von ihrem Wuchs ganz anders aussehen als Waldbäume? Ich sah mir die Nadeln der Eiben an, wie die Nadeln am Ast angebracht waren. Manche Äste trugen etwas, was ich für Knopsen halte, bei anderen Bäumen war auch knospenähnliches zu sehen, aber das anders auf mich wirkte als die zuvor erwähnten Knospen. (Jetzt weiß ich mittlerweile, es gibt weibliche und männliche Knospen.)

Also ich war mir sehr, sehr sicher, dass ich treffende Unterscheidungen traf. Ich bin ja bekanntlicherweise sehr intelligent.

Als warf ich die App an und überprüfte meine Ergebnisse. Alle Nadelbäume waren Eiben. Ich war auf also aut einem kompletten Holzweg gewesen.

Also ich war nicht in der Lage mit meinen sinnlichen Eindrücken, aus denen ich glaubte, brauchbare Merkmale harausgefiltert zu haben, die anderen Nadelbäume als Eiben zu identifizieren oder auszuschließen.

Flora Incognita blendet aber auch die Merkmale ein, an welchen man die Pflanzen erkennen kann. Also las ich mir das durch. Das augenfälligste Merkmal für mich war, dass die Nadelunterseite heller ist als die Nadelunterseite. Das traf auf die anderen Bäume zu, die ich als Eiben ausgeschlossen hätte. Die App stellte immer Eiben fest.

Bei einem Baum war aber dieser Helligkeitsunterschied der Nadelseiten sehr gering. Es war trotzdem eine Eibe.

Auf meinem nach Hause weg traf ich auf einen Blumentopf mit einem Nadelbäumchen. Der musste auch untersucht werden. Also verglich ich Unter- und Oberseite der Nadeln. Ein minimaler Helligkeitsunterschied.

„Da war doch die eine Eibe, wo der Unterschied sehr gering war? Vielleicht kann er noch geringer sein? Aber die Nadeln sind kleiner? Ja, es ist aber ein Zierbäumchen?!“

Eigentlich war ich eher dafür, dass es keine Eibe ist, aber so richtig sicher war ich mir nicht. Die App befragt, es ist eine Fichte.

Und was hat das jetzt mit Gitarrenunterricht und Musik zu tun?

Eigentlich haben wir hier das Problem, was dem Artikel Das Prinzip Hoffnung oder sogar Zufall zu Grunde liegt.

In dem oben erwähnten Artikel komme ich auf die Solfege zu sprechen. Wendet man das Prinzip der Solfege auf die Botanik an, dann hieße das, man läuft an den Pflanzen vorbei und lässt die Menschen die Namen sagen. Wie viele werden nach solch einem Kurs Pflanzen verlässlich bestimmen können?

Es wirkt als Vorstellung kurios.

Ich treffe mit meiner sinnlichen Wahrnehmung auf eine Welt, die sich in Arten einteilen lässt. Bin ich aus mir selbst heraus in der Lage, die richtigen Strukturmerkmale herauszufinden, um die Arten zu unterscheiden?

Das halte ich für eher fraglich, oder es würde sehr lange dauern.

Warum? Die Eibe hat sehr viele Wuchsformen. In Wikipedia steht:

Die immergrüne Europäische Eibe ist in ihrer Gestalt eine sehr variable Art, die je nach Standortbedingungen als Baum oder Strauch wächst. An extremen Standorten wie etwa im Hochgebirge oder in Felswänden wächst sie sogar als Kriechstrauch.

Ich müsste auf die entscheidenenden Merkmale kommen, die in den vielen Gestaltmöglichkeiten entscheidend sind. Bloß, damit ich überhaupt auf diese Idee komme, muss ich ein Konzept von Arten haben und dann den Willen, diese zu erkennen.

Es gibt in vielen Dingen das Phänomen, dass Dinge als gleich gelten, obwohl ihre Erscheinungsformen vielfältig sind.

Ein alltägliches Beispiel ist das europäische Geld. Wir bezeichnen Eineuromünzen als gleich, egal aus was für einem Land sie stammen, weil sie den gleichen Wert haben, obwohl ihre Rückseiten unterschiedlich sind.

Aber das ist auch das Problem in der Musik. Musikalische Stukturen haben so mannigfaltige Erscheinungsformen, sodass es eigentlich nur Zufall oder Glück sein kann, wenn man nur durch Musikhören ohne jegliche Kenntnis von Musiktheorie, diese Strukturen entdeckt.

Jetzt nehmen wir mal an, man hat zwar musiktheoretische Kenntnisse, aber keine Hinweise, wie sich diese musikalischen Strukturen vermitteln.

Wird diese*r Hörer*In diese Strukturen nach längerem Musikkonsum verlässlich identifizieren können?

Die Kornelkirsche

Durch meine Auseinandersetzung mit Flora Incognita habe ich meine Zweifel. Mich hat interessiert, erkennt die App auch Zierpflanzen. Eine intelligente Idee, wenn man bedenkt, dass ich eigentlich gar nicht so richtig weiß, was eine Zierpflanze ist. Eine Baumart in den Frankfurter Anlagen sind die Kornelkirschen.

Ich kann Buchen, Ahorn, Kastanien und Eichen anhand ihrer Blätter erkennen. Die sind ja auch schön unterschiedlich. Aber es gibt doch ziemlich viele Baumarten, die auf den ersten Blick für mich wesentlich weniger unterschiedliche Blätter haben.

Also ich habe versucht, die Kornelkirschenblätter von diesen für mich ähnlichen Blätter zu unterscheiden. Meine Vorgehensweise war erst ähnlich hemdsärmelig wie bei den Eiben. Aber auch ähnlich erfolglos. Also nahm ich wieder die Hinweise von Flora Incognita zu Rate.

Blätter: ei-elliptisch, 4-10 cm lang, 4-5 Seitennervenpaare, 5-10 mm lang gestielt, unterseits glänzend; (https://www.pflanzen-vielfalt.net/baeume-straeucher-a-z/baeume-uebersicht-a-k/kornelkirsche/)

Die Blätter sind gegenständig und die Nerven verlaufen auffallend bogig und fast parallel zur Blattspitze. Die Blattoberseite ist glänzend, die Unterseite ist mit weißen Haarbüscheln in den Nervenwinkeln besetzt, der Blattrand ist leicht gewellt. (https://www.lfl.bayern.de/iab/kulturlandschaft/180611/index.php)

Durch mein vieles Radfahren bin ich ziemlich viel in der Natur unterwegs. Ich habe also schon viele Blätter gesehen. Aber die Merkmale, mit denen man Blätter unterscheiden kann, sind mir nie als Unterscheidungsmerkmal aufgefallen. Höchstens Blattform, Größe und Musterung durch die Adern.

Jetzt sehe ich mir Blätter genauer an und stelle fest, andere Blätter verschiedener Arten sind meiner Meinung ziemlich ähnlich zueinander, sodass ich es nicht wagen würde, die Arten zu unterscheiden.

Ich möchte dies an der Kornelkirsche zeigen.Mir haben es die „4-5 Seitennervenpaare“ angetan.

Wie stellt man fest, dass ausgerechnet die Anzahl dieser Seitennervenpaare ein wichtiges Merkmal ist, um die Blätter der Kornelkirsche von anderen Blättern zu unterscheiden. Ich habe mir einige Blätter jetzt angesehen. Diese verlässliche Zahl hat nur die Kornelkirsche.

Die Frage lautet, wie wählt man aus den Merkmalen die richtigen Merkmale zur verlässlichen Identifikation aus. Und erkennt man die Merkmale als Merkmale?

Um das Problem zu illustrieren. Ich stand am Rand des Odenwalds im Wald und sah mir Blätter an. Weil die Seitennervenpaare ähnlich auf dem Blatt wie bei der Kornelkirsche verliefen, sah ich nach, ob es sich um eine andere Kirschsorte handeln könnte. Volltreffer. Es handelte sich um eine „Späte Traubenkirsche. Vielleicht ist das mit den Merkmalen gar nicht so schwer.„ Dachte ich mir.

Also probierte ich am nächsten Tag es wieder im Park aus. Die Seitennervenpaare waren vielversprechend. Ich war mir sehr sicher. Nun gut, es war eine „Sparrige Zwergmispel“. Keine Verwandtschaft zur Kirsche, so weit ich verstanden habe.

Das Spitzahorn

Ahornblätter sind Blätter, die ich leicht erkenne. Ich bedanke mich hiermit bei der kanadischen Flagge. So stand ich vor einem Baum, dessen Blätter wie Ahornblätter aussahen. Aber die Spitzen liefen sehr spitz aus. Also befragte ich Flora Incognita und bekam die Antwort. „Spitzahorn!“. Der nächste Baum, war auch ein Ahorn. Aber die Spitzen waren in meinen Augen deutlich stumpfer, eigentlich nicht vorhanden. Ich wollte natürlich wissen, was für eine Art von Ahorn es sich handelte. Tja, was soll ich sagen, es war auch ein Spitzahorn.

Wer in der Bildersuche von Google „Spitzahorn Blatt“ eingibt, wird vielleicht mein Problem feststellen. Mal sind die Spitzen sehr deutlich zu sehen, mal ahnt man sie eher.

Also auch, wenn einem Merkmale angeboten werden, dann ist die Frage, sind diese Merkmale wirklich für den Anfänger so eindeutig, wie der Fachmensch denkt.

Und wenn ich gerade bei Fachmenschen bin. Es gibt Erklärungen zu den Pflanzenmerkmalen, die verstehe ich gut. Aber dann gibt es Erklärungen, bei denen ich mich frage, was will man mir sagen.

Warum bin ich von diesen Problemen der Artenbestimmung so fasziniert? Weil es mir eine Ahnung verschafft, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass man musikalische Strukturen nur durch Hören erfasst.

Während meiner Beschäftigung mit der Gehörbildung, berichtete ein Autor, dass in seinem Gehörbildungsunterricht die Student*Innen ganze Passagen nachspielen könnten, aber wenn Sie dann das Originalwerk hören würden, würden sie das Stück nicht wiedererkennen. Der Autor war darüber sehr verwundert.

Mich wundert dies nach diesen Erlebnissen eigentlich gar nicht mehr so.

Es geht darum, dass man den gemeinsamen Nenner erkennt. Und das scheint kein selbstverständlicher Prozess zu sein.

In Musiker*Innenkreisen fällt ja sehr gerne Sätze wie: „Die merken einfach nicht, obwohl das ist doch so offenkundig….“

Vielleicht muss man lernen, dass vermeintlich offenkundige, offenkundiger zu machen.

Und jetzt noch zu guter Letzt zwei Bilder. Beim ersten Bild sind die Nadeln in einer Fläche am Ästchen gewachsen. Am anderen um die Ästchen herum. Gleiche Baumart? Ja oder nein?

Ja, es sind Eiben, die nebeneinander stehen.

Teile diesen Beitrag von Gitarrenunterricht Frankfurt

Der Beitrag wurde am Freitag, den 28. April 2023 um 08:45 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Eingeschoben, Gehör, Musikalität, Software abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .